Open-Source-Software auf dem Weg zu digitaler Barrierefreiheit
25.10.2023, zuletzt aktualisiert am 26.06.2024
Ob bei der Routenplanung im ÖPNV, bei der Teilnahme an einer Videokonferenz oder bei der Zusammenarbeit im Quelltexteditor – nach wie vor verhindert eine Vielzahl von Barrieren gleiche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Wie sich diese Barrieren durch Freie und Open-Source-Software (FOSS) abbauen lassen, erproben beim Prototype Fund regelmäßig Projekte.
Erkenntnisse aus der Begleitforschung des Prototype Fund
Im Rahmen seiner Begleitforschung hat sich der Prototype Fund einmal genauer angesehen, welchen Beitrag FOSS zu digitaler Barrierefreiheit leistet und leisten kann. Dabei haben wir Folgendes gelernt:
Software hat drei Bezugspunkte zu Barrierefreiheit: (1) Durch Software lassen sich existierende gesellschaftliche Barrieren abbauen. (2) Software selbst kann neue Barrieren entstehen lassen oder inklusiv für alle nutzbar sein. (3) Softwareentwicklung kann Menschen ausschließen oder größere Teilhabe durch zugängliche Gestaltungsprozesse ermöglichen.
Die verbreiteten FOSS-Definitionen abstrahieren von den individuellen Möglichkeiten der Personen, die Software nutzen und weiterentwickeln. Insofern wird Barrierefreiheit bisher in der Regel nicht als integrales Prinzip von FOSS angesehen. Grundsätzlich hat FOSS gegenüber proprietärer Software aber Vorteile, wenn es um den Abbau von Barrieren geht:
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Es ist tendenziell leichter für Nutzende, an der Weiterentwicklung von FOSS-Projekten mitzuwirken, beispielsweise durch Bug Reports. Die arbeitsteilige Entwicklung macht es zudem möglich, dass Entwickler*innen, die bestimmte Funktionen benötigen, diese leichter anhand bestehener Software unabhängig umsetzen oder Projekte fortführen können.
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FOSS ist durch die Veröffentlichung des Codes transparenter sowie häufig weniger an kommerziellen Interessen und der verdeckten kommerziellen Auswertung von Nutzendendaten ausgerichtet. Nutzende sind deshalb seltener vor die Wahl gestellt, entweder auf Software, die Teilhabe verspricht, oder den Schutz der eigenen Daten zu verzichten.
- Durch freie Lizenzen, die die Nutzung, Weiterentwicklung und Verbreitung der Software erlauben, ist FOSS kostengünstig verfügbar. Mehr Menschen haben deshalb prinzipiell Zugang und die Allgemeinheit wird, soweit sie für barrierefreie Software zahlt, entlastet.
Als Treiber digitaler Barrierefreiheit lassen sich primär vier Faktoren ausmachen, die u. a. bei FOSS-Projekten allerdings nicht immer volle Wirksamkeit entfalten:
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Gesetze verpflichten zunehmend staatliche und auch privatwirtschaftliche Organisationen zum Abbau von Barrieren in Software. Bisher werden diese Gesetze jedoch noch unzureichend umgesetzt.
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Standards geben vor allem für web-basierte Software vor, wie diese barrierefrei entwickelt werden kann. Diese Standards sind bisher aber noch lückenhaft und ihre Inhalte wenig bekannt.
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Das Bewusstsein für die Belange von Menschen mit Behinderungen und anderen Einschränkungen nimmt in der Digitalpolitik und in FOSS-Communities langsam zu. Da es für diese Personengruppen bisher oft schwierig ist, an FOSS-Projekten mitzuarbeiten, und es bisher lediglich vereinzelte und schwach organisierte Interessengruppen gibt, fehlt allerdings oft die Expertise, um digitale Barrierefreiheit umzusetzen.
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Kommerzielle Interessen können dazu motivieren, in die barrierefreie Gestaltung von Software zu investieren, um größere Nutzendengruppen zu erreichen oder Rechtsrisiken zu vermeiden. Gerade kleineren, privat betriebenen FOSS-Projekten fehlen jedoch oft die dafür erforderlichen finanziellen und personellen Kapazitäten.
Softwareförderprogramme können digitale Barrierefreiheit durch eine Reihe von Maßnahmen unterstützen, zum Beispiel:
- Barrierefreiheit als Auswahlkriterium definieren,
- Geförderte zur Einhaltung von Standards für Barrierefreiheit verpflichten,
- Ressourcen wie Beratung, Mentoring oder Auditing bereitstellen oder
- beim Aufbau einer Nutzendenbasis und eines Geschäftsmodell unterstützen, um die Ausrichtung an gesetzlichen Vorgaben und verschiedenen Nutzendenperspektiven zu forcieren.
Den vollständigen Bericht findet ihr hier.
Projekte beim Prototype Fund zum Thema Barrierefreiheit
Diese Projekte haben sich beim Prototype Fund mit dem Abbau von kommunikativen und physischen Barrieren im gesellschaftlichen Leben beschäftigt:
- Accessy
- ML-basierte Übersetzungsfunktion für den LibreOffice Writer
- ]OPEN THEATER[
- Sign Dict
- Symp-lator: Medical Symptom Translator
- The Open Hearing Project
Technische Barrieren in Software abzubauen, ist das Ziel der folgenden Projekte, die vom Prototype Fund gefördert wurden:
- a11yBuddy
- audilu – Audio Descriptions made simple
- CodeMirror
- CTRLABILITY – Kontroller für Menschen mit motorischen Einschränkungen
- EyeCaptain
- Hands-free Phone
- Luna LMS – Einfach multimodal lernen
- Psylink
- SemanticDocuments
- Transcribee
- VICollab – Zugängliches kollaboratives Arbeiten mit Emacspeak
- Voice-QL: Datentabellen mit gesprochener Sprache barrierefrei erkunden
Weiterführende Infos
Mehr zum Thema Barrierefreiheit findet ihr außerdem auf unserem Blog:
- Der Weg zur barrierefreien Software, Casey Kreer (12.07.2023)
- Zurück zur Inklusion – Online-Lernen für alle, Florian Berger (29.09.2023)
- Unsere Barrierefreiheitserklärung ist da! (17.08.2023)
… und in der fünften Staffel des Public Interest Podcast.