“Software für den Souverän” – Civic Tech von und für Bürger*innen
Wenn ihr die ersten beiden Teile unserer Blogreihe zum Thema “Digitale Zivilgesellschaft” verfolgt habt, konntet ihr euch bereits ein Bild davon machen, wer oder was diese digitale Zivilgesellschaft ausmacht und wie sie mit Data-Literacy-Projekten dafür sorgt, dass Informationen in Form von Daten uns nicht in die Irre führen, sondern klüger machen. Im dritten Teil der Blogreihe widmen wir uns mit “Civic Tech” nun einer weiteren Fördersäule des Prototype Funds.
Civic Tech ist ein Herzstück von Public Interest Tech, denn hier werden Technologien im sozialen Raum eingesetzt und – ganz konkret – digitale Werkzeuge für Bürger*innen entwickelt, mit denen diese ihre Bürgerrechte und -pflichten besser ausüben und wahren können. Durch Civic Tech erhalten wir u.a. besseren Zugang zu Informationen, können uns untereinander, aber auch mit Politik oder Verwaltung vernetzen. Dabei können entweder einzelne Mitglieder der Gesellschaft befähigt werden, indem ihnen im Umgang mit Behörden Instrumente an die Hand gegeben werden. Oder es kann ein bestimmter gesellschaftlicher Stakeholder bzw. die Gesellschaft als Ganzes gestärkt werden. Das klassische Beispiel hierfür ist ein diskursiv-digitales Beteiligungstool, das Bürger*innen ermöglicht, zu debattieren, Teilhabe zu implementieren und gesellschaftlichen Austausch und Meinungsbildung in Gang zu bringen.
Obwohl Civic Tech nicht nur auf Politik und Verwaltung beschränkt ist, kommen viele spannende Ideen aus diesen Bereichen und zeigen, dass die Beziehung zwischen Bürger*innen und dem Staat entsprechend des niemals abgeschlossenen Formungsprozess den eine Demokratie per Definition darstellt, immer optimierbar ist. Dabei können digitale Tools unterstützen, da ihre Stärke insbesondere darin liegt, zu ordnen, analysieren und aufzubereiten, Zusammenhänge sichtbar und durchsuchbar zu machen.
Entwickelt werden die hierfür nötigen Tools von Softwareentwickler*innen oder Designer*innen als Transferleistung zwischen einem konkreten Anwendungsfall aus ihrer bürgerlichen Identität heraus und ihrer technischer Kompetenz. Diese Entwicklungen unterliegen damit einer anderen Dynamik als beispielsweise Auftragsarbeiten von Software-Firmen für Ministerien, denn: bei Civic-Tech-Projekten stehen ganz klar die Bedürfnisse der Bürger*innen im Vordergrund. Und diese haben weltweit eine beeindruckende Bandbreite von Angeboten geschaffen, wie der Civic Tech Fieldguide oder ein Report der Knight Foundation zeigen.
Bürger*innen üben mithilfe digitaler Tools niedrigschwellig politische Teilhabe aus und sorgen durch Projekte, die die Transparenz von Staatsapparaten fördern, dafür, dass diese verstärkt ihrer Rechenschaftspflicht gegenüber der Gesellschaft nachkommen. Trotz der grundsätzlichen Anlage von rechtlicher Informationsfreiheit ist eine proaktive Einbindung und Information nämlich häufig noch die Ausnahme. Ein perfektes Beispiel für ein funktionierendes Informations-Werkzeug ist “Meine Stadt transparent”: Jede*r kann auf der Plattform unkompliziert Anfragen zu seiner/ihrer Stadt stellen und Informationen aus dem Ratsinformationssystem erhalten, das jede große Stadt oder Gemeinde nutzt. So wird eine neue Art der Interaktion ermöglicht und Entscheidungsgrundlagen und Mittelverwendung nachvollziehbarer.
Auch bei “Frag den Staat” wird Transparenz groß geschrieben. Das Projekt (das, Disclaimer, wie der Prototype Fund zur Open Knowledge Foundation e.V. gehört) ermöglicht es allen Menschen, unkompliziert Anfragen nach den deutschen Informationsfreiheitsgesetzen zu stellen. Auf der Website wird der Weg zu einer erfolgreich erlangten Behördenauskunft erleichtert, formalisiert, teilweise automatisiert und gleichzeitig eine Sammelstelle für die erhaltenen amtlichen Informationen geschaffen. Gutachten, Mailverkehr mit Lobbyisten, interne Korrespondenz können so nachvollzogen werden – ein Weg zu mehr Partizipation und weniger Korruption. Alle Menschen, die hier eine der bisher 150.000 Anfragen gestellt haben, tragen somit etwas zum öffentlich zugänglichen Wissensschatz der Gesellschaft bei und engagieren sich als Teil der digitalen Zivilgesellschaft.
Nicht alle Civic-Tech-Projekte beschäftigen sich mit der Beziehung zwischen Bürger*innen und Politik und Verwaltung. Zwei Beispiele für Projekte. die Bürger*innen die Möglichkeit geben, ihre Rechte ohne großen Aufwand wahrzunehmen, sind Mietlimbo und selbstauskunft.net. Mietlimbo unterstützt Mieter*innen dabei, selbst eine Mietsenkung auf Basis der Mietpreisbremse durchzusetzen, indem sie an die bestehenden Online-Angebote der Stadt Berlin anknüpft. Über selbstauskunft.net können Bürger*innen Unternehmen anschreiben, um ihre Daten abzufragen – wie es ihnen laut Bundesdatenschutzgesetz einmal im jahr kostenlos zusteht.
Ein weiteres Ziel von Civic Tech ist es, Bürger*innen digital mündig zu machen, sodass sie überhaupt erst in die Lage versetzt werden, digitale Tools zu nutzen, um sich politisch einzubringen und ihre Ziele zu verfolgen. Der Einstieg kann dabei ganz niederschwellig erfolgen, z.B. über das Netzwerk Code for Germany. Willkommen sind dort explizit auch “Non-Techies”.
Auf diese vielfältigen Weisen kann Software dazu beitragen, das Bürger*innen selbstständig, mündig und unkompliziert mit dem Staat interagieren, oder sich demokratisch weiterbilden können. Wenn ihr Civic Tech genauso spannend findet wie wir und noch mehr darüber lesen wollt, legen wir euch diese Prototype-Fund-Blogreihe aus dem Jahr 2016 ans Herz. In Kürze geht es dann weiter mit dem 4. Teil unserer Blogserie!