06.Feb 2024

Digitalisierung und Open Source als Chance für Kultureinrichtungen

Galleries, Libraries, Archives and Museums, kurz GLAM, sind die Orte, an denen Kultur gelebt, aufbewahrt und aufbereitet wird. Warum das kein angestaubtes Relikt aus analogen Zeiten ist und welches Potenzial in der Digitalisierung für GLAMs liegt, erklären uns Anne und Gerd vom Projekt GLAMorous Europe.

Wie passen sich Kulturinstitutionen an die Digitalisierung an? Werden wir zukünftig Kunstwerke nur noch in digitaler Form anschauen?

Nein, natürlich werden auch weiterhin Menschen in Museen und Galerien gehen. Museen verstehen sich als sogenannte „dritte Orte“, die Angebote über Sammlung und Forschung hinaus entwickeln, z. B. Veranstaltungen, Kurse, Selbsthilfewerkstätten, etc. Zudem können wir nur dort Originale betrachten und manchmal sogar anfassen. Aber wir sehen die Online- und Offline-Sphäre als untrennbar miteinander verbunden. Daher ist eine Gesamtstrategie der GLAM-Institutionen für analoge und digitale Vermittlungswege so wichtig. Zuallererst ist die Sichtbarkeit im Internet entscheidend, da Kulturinstitutionen in erster Linie online gefunden werden. Außerdem prägt die Onlinepräsenz natürlich die Wahrnehmung der Kultureinrichtung. Unserer Meinung nach sollten zudem digitale Formate vor, während und nach dem GLAM-Besuch aus einer solchen Gesamtstrategie abgeleitet werden. Vor dem Besuch soll Lust und Vorfreude auf die Ausstellungen und Sammlungen der GLAM-Institution geweckt werden. Vor Ort können innerhalb des Angebots zusätzliche digitale Ressourcen wie Audioguides und Apps angeboten werden. Im Nachgang des Museumsbesuches sollte zusätzlich die Möglichkeit geboten werden, sich tiefgehend mit den aufgekommenen Themen zu beschäftigen oder Materialien für andere Zwecke (Schulaufgaben, Citizen-Science-Projekte, Kreativprojekte, etc.) zu verwenden.

Welchen Beitrag leistet euer Projekt GLAMorous Europe dazu?

Wir sehen unser Projekt GLAMorous Europe als digitales Format „vor dem Museumsbesuch“. GLAMorous Europe macht die Entdeckung von Gemälden, Drucken, Skulpturen und Fotografien zu einem spielerischen Erlebnis, indem durch eine zufällige Auswahl von digitalisierten Objekten eine zunehmend personalisierte Sammlung entsteht, je tiefer die Nutzerinnen eintauchen. Diese digitale Sammlung kann erkundet, geteilt und in eigene Kunstwerke verwandelt werden. Zusätzlich können die Nutzerinnen vertiefende Informationen zu den Kulturobjekten erhalten. Durch die kreativ-spielerische Herangehensweise werden Nutzer*innen dazu ermutigt, sich mit digitalisierten Sammlungen auseinanderzusetzen und entwickeln dadurch Interesse an dem Besuch einer GLAM-Institution.

Was war die Motivation hinter eurem Projekt?

Wir glauben, dass das Kulturerbe allen gehört und Bürger*innen kreativ damit umgehen dürfen. Deshalb bringen wir Nutzer*innen und digitale Sammlungen von europäischen GLAM-Institutionen auf künstlerisch-kreative Weise zusammen. Wir möchten einen niedrigschwelligen, kreativen Zugang zu digitalisierten Sammlungen verschiedener europäischer Länder bieten und zu einem Blick über nationale Grenzen hinaus ermutigen.

Gibt es Beispiele für gelungene und weniger gelungene Ansätze in Bezug auf digitale Sammlungen?

Viele Kulturinstitutionen haben ihre Sammlungen bereits digitalisiert oder sind dabei ‒ das ist sehr erfreulich! Jedoch existiert eine große Bandbreite an Strategien für die digitale Nachnutzung. Es gibt Museen, die gute Konzepte entwickelt haben, um analoges und digitales miteinander zu verbinden. Beispielsweise veröffentlichen diese DIY-Videos auf ihrer Website, die weiterführend mit ihren digitalisierten Sammlungsbeständen arbeiten. Es gibt jedoch auch Museen, die zwar ihre Bestände digitalisiert und deren Sammlungen im Internet verfügbar gemacht haben, diese jedoch derart versteckt auf der Website platziert haben, dass kaum jemand den Weg zu ihrer digitalisierten Sammlung findet und sich mit diesen beschäftigt.

Welche Möglichkeiten bietet Digitalisierung für GLAM-Institutionen darüber hinaus?

Digitalisierung ermöglicht beispielsweise die Anbindung von kleinen und mittleren Institutionen an virtuelle Bibliotheken und Aggregatoren wie Wikidata, der Europeana und der Deutschen Digitalen Bibliothek. Damit haben sie die Chance, im europäischen Kulturkosmos präsenter und sichtbarer zu sein. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Schaffung von Erlebnissen und Einblicken in vormals unzugängliche Räume. Jahrhundertealte Bücher, die nicht für den Publikumsverkehr freigegeben sind können so von zu Hause aus in aller Ruhe betrachtet und genutzt werden. Auch hochaufgelöste Scans von Gemälden lassen sich digital ausgiebiger betrachten als durch eine Glasscheibe inmitten einer Traube von Menschen.

Auf welche Hindernisse stoßen GLAMs bei der Digitalisierung?

Oftmals scheitern digitale Projekte oder die Entwicklung einer digitalen Gesamtstrategie am Mangel an Personal und Budget. Sowohl die Digitalisierung von Sammlungen als auch digitale Projekte sind häufig von Fördergeldern abhängig und somit zeitlich begrenzt. Dies führt zu Situationen, in denen beispielsweise Webanwendungen oder Museumsapps mit Steuergeldern gefördert wurden und nach Ablauf des Förderprojektes aufgrund fehlender langfristiger Finanzierung eingestellt werden mussten. Die Verstetigung solcher Projekte ist ein Schlüsselelement, um digitale Projekte nachhaltig zu entwickeln und zu verbessern. Ein häufiges Problem für viele kleinere Institutionen ist zudem die Recherche und Klärung von Rechten und Lizenzen.

Warum sollten eurer Meinung nach GLAMs auf Open-Source setzen?

Zunächst einmal sollten Kultureinrichtungen als von Steuergeldern finanzierte Institutionen der Öffentlichkeit und den Bürgerinnen ihre Sammlungen im Sinne von „public money, public code“ zugänglich zu machen. Die Vorteile von Open-Source-Anwendungen unter freier Lizenz liegen darin, dass sie wiederverwendet und für eigene Zwecke adaptiert werden können. Open-Source-Software reduziert Abhängigkeiten von proprietären (Software-)Produkten und deren Lizenzkosten sowie von Dienstleisterinnen, die hohe Summen für Beratung und Wartung verlangen. Ein einmal entwickelter Code kann gemeinsam mit einer Community entwickelt, instandgehalten und verbessert werden und ist dadurch idealerweise nachhaltiger. Das hilft am Ende auch der langfristigen Arbeit in den GLAM-Institutionen.


Anne Mühlich und Gerd Müller sind Gründer*innen des Digitalwarenkombinats, mit dem sie kreative Webanwendungen und Merchandise in Zusammenarbeit mit GLAM-Institutionen entwickeln. Ihr Ziel ist es, offene Kulturdaten nachhaltig nutzbar zu machen und GLAMs dabei zuunterstützen, sich digital für die gesamte Gesellschaft zu öffnen. Ihr Projekt GLAMorous Europe wird im Rahmen der 14. Runde Prototype Fund gefördert.

Digitalisierung und Open Source als Chance für Kultureinrichtungen