29.Jan 2025

Zeigt her, woran ihr arbeitet!

Beim Prototype Fund erhalten viele Entwickler*innen erstmals die Möglichkeit, sich sechs Monate lang auf ihr Herzensprojekt zu konzentrieren. Was richtig produktiv sein kann, kann auch zu neuen Herausforderungen führen: Wie koordiniert man eigentlich die eigene Arbeit, wenn einem keiner sagt, was man zu tun hat? Im Gastbeitrag stellt Katharina Rasch vom Projekt Trans-Europa-Planer einen Vorschlag vor, um mit der eigenen Zeit zu haushalten.


Ihr hattet eine tolle Projektidee und habt die Zusage für den Prototype Fund bekommen. Ihr freut euch riesig und stürzt euch direkt in die Arbeit: Sechs Monate Zeit, los geht’s!
Zu Beginn kommt ihr richtig schnell voran, ihr freut euch, bald eine erste Version mit euren Nutzer*innen ausprobieren zu können. Nur noch kurz Feature X, Y, Z fertigstellen, noch ein bisschen am Design feilen, und und und… Und dann, dann hakts, Feature Y ist viel schwieriger als erwartet, ihr kommt nicht weiter, und plötzlich sind 5 Monate um und mit einem anderen wichtigen Teil des Projektes habt ihr noch gar nicht angefangen.

Schluss damit! Wenn ihr euer Projekt niemandem zeigt, könnt ihr nicht wissen, ob ihr auf dem richtigen Weg seid, besteht immer das Risiko, sich im Kleinklein zu verfangen, in irgendeinem Detail zu vergraben und das große Ganze aus dem Blick zu verlieren.

Deswegen: zeigt her, woran ihr arbeitet! Und zwar regelmäßig. Regelmäßig, das heißt jeden Freitag, oder jeden zweiten Montag oder wie es für euch am besten passt. Und, ganz wichtig: Genau an diesem Tag legt ihr auch immer fest, was ihr beim nächsten Mal zeigen wollt. Damit erreicht ihr gleich zwei Ziele: Erstens fokussiert ihr euch mehr. In einem klar abgegrenzten Zeitraum konzentriert ihr euch auf einen bestimmten Aspekt eures Projektes. Zweitens schafft ihr euch regelmäßig den Raum einen Blick aufs große Ganze zu werfen und zu entscheiden, welcher Aspekt des Projektes als nächstes am Wichtigsten ist.

Die Strategie

Schritt 1:

Legt fest, was für euch regelmäßig bedeutet. Für mich als Einzelprojekt in Vollzeit hat sich „jeder Freitag” bewährt. Wenn ihr in Teilzeit oder in einem kleinen Team an eurem Projekt arbeitet, ist aber vielleicht ein Termin alle zwei Wochen sinnvoller. Größere Abstände würde ich nicht empfehlen, denn je länger der Zeitraum ist, desto weniger scharf bleibt der Fokus und desto seltener die Chance den Fokus zu ändern.

Schritt 2:

Sucht euch eine Person, die sich für euer Projekt interessiert und der ihr regelmäßig euren Arbeitsfortschritt zeigen könnt und besprechen könnt, was als nächstes ansteht. Die Person braucht (in den meisten Fällen) keinen technischen Hintergrund, aber darf gern auch mal kritische Fragen stellen. Es wäre gut, wenn die Person pro Woche bzw. alle zwei Wochen circa eine halbe Stunde Zeit für euch hat. Wenn nötig können sich auch mehrere Personen abwechseln. Bei Team-Projekten kann die Person auch ein Teammitglied sein, welches nicht so stark in die alltäglichen Aufgaben eingebunden ist, besser ist aber immer jemand externes.

Schritt 3:

Regelmäßig zeigt ihr dieser Person, was ihr seit dem letzten Mal geschafft habt. Und dann plant ihr gemeinsam, was ihr nächstes Mal zeigen wollt. Am besten habt ihr dafür bereits einen Vorschlag, aber seid auch bereit zuzuhören, wenn die Person findet, dass Anderes vielleicht aktuell eine höhere Priorität hat.

Es ist wichtig, dass das Ziel klar formuliert ist. Ein paar Beispiele wären:

  • Wir stellen 3 Beispielreisen (Berlin nach Prag/London/Venedig) auf einer Karte dar.
  • Wir führen 5 User Tests durch und stellen die Resultate strukturiert vor.
  • Wir stellen eine Landing page für das Projekt unter einer eigenen Domain online. Folgende Punkte sollen auf der Page abgedeckt sein: A, B, C.
Schritt 4:

Ihr setzt euer Ziel um. Und klar, da geht manchmal auch was schief und was ihr machen wolltet, ist in den ein/zwei Wochen doch nicht erreichbar. In dem Fall ist es am besten, wenn ihr versucht, schwierige Details wegzulassen, um trotzdem das grobe Ziel erreichen zu können. Beispielsweise könntet ihr erstmal ein paar Testdaten hardcoden, statt sie, wie geplant, aus einer Datenquelle zu scrapen. Oder die Landing Page hat dann doch erstmal nur Überschriften, aber noch keine Inhalte. Und wenn das immer noch nicht ausreicht, dann ist das auch nicht so schlimm, dann habt ihr zumindest gelernt, welche Schwierigkeiten es gibt und könnt bei der nächsten Planung besser einschätzen, was realistisch erreichbar ist.

Warum funktioniert das?

Für mich funktioniert diese Strategie aus mehreren Gründen:

  • Ich will gern schaffen, was ich versprochen habe und es motiviert mich total, jede Woche etwas zeigen zu können.
  • Ich habe einen klaren Fokus für die Woche. Insbesondere habe ich an Montagen weniger Schwierigkeiten, zurück ins Projekt zu kommen.
  • Falls ich mich doch mal tief in ein Detail vergrabe, werde ich spätestens am Freitag da rausgeholt und arbeite dann in der nächsten Woche lieber erstmal an etwas anderem.
  • Während des gesamten Projektzeitraums behalte ich das große Ganze im Blick. Und die externen Augen helfen mir, wenn nötig meinen Kurs zu korrigieren.

Und wem das jetzt alles sehr bekannt vorkam: Ja, die Strategie ist natürlich stark an Methoden aus der agilen Software-Entwicklung angelehnt, angepasst auf kleine Teams bzw. Einzelpersonen und mit extrem wenig Overhead. Ihr arbeitet in ein- oder zweiwöchigen Sprints, am Ende jedes Sprints gibt es eine Demo und die externe Person spielt euren Product Owner.

Probiert’s doch mal aus und beobachtet, was für euch funktioniert und was nicht, und passt die Strategie entsprechend für euch an. Wichtig bleibt nur: Zeigt her, woran ihr arbeitet!


Katharina Rasch arbeitet freiberuflich als Data Scientist und Software Developer in Berlin. In der 16. Runde des Prototype Fund entwickelt Katharina den Trans-Europa-Planer, um komplizierte Bahnreisen quer durch Europa einfacher planbar zu machen.

Zeigt her, woran ihr arbeitet!