Was wurde aus… Follow the Grant?
In acht Jahren Prototype Fund haben wir viele Projekte kommen und gehen gesehen. Wir wollen zurückschauen, euch einige Projekte von früher vorstellen und schauen, wie es ihnen jetzt so geht. Mit diesem Überblick soll auch die Frage nach nachhaltiger Projektentwicklung in den Fokus rücken, denn wir werfen einen Blick darauf, wie diese im FOSS-Bereich funktioniert – oder aber auch nicht. Von Folgeförderungen über den Produktivbetrieb auf Spendenbasis oder mit Geschäftsmodell bis zur Aufgabe des Projekts ist dabei alles vertreten.
Im zweiten Teil der Reihe geht es um Follow the Grant aus Runde 3. Follow the Grant ist eine Datenbank, die Informationen aus medizinischen Fachzeitschriften sammelt und aufzeigt, welche Wissenschaftler*innen und Ärzt*innen Geld von Unternehmen erhalten.
Darum geht es:
Wissenschaftliche Forschung geschieht unabhängig von Profitinteressen und ist, soweit es geht, objektiv – so die Theorie. In der Realität werden Forschungsergebnisse in Teilen davon beeinflusst, wer mit Funding die Forschung überhaupt ermöglicht. Geldgeber sind z. B. Pharmaunternehmen. Studien zeigen, dass Mediziner*innen, die Geld von Pharmaunternehmen erhalten, beispielsweise die Tendenz zeigen, deren Medikamente häufiger zu verschreiben. Manchmal werden auch Studienergebnisse durch solche Geldflüsse beeinflusst. Weil diese Interessenkonflikte nicht ohne Weiteres einsehbar sind, hat Follow the Grant es sich zur Aufgabe gemacht, sie mittels einer Analyse von Journaldaten öffentlich verfügbar zu machen.
So ging es nach der Prototype Fund-Förderung weiter:
Nach dem Prototype Fund erhielt Follow the Grant eine Innovationsförderung des MIZ Babelsberg, die die Weiterentwicklung bis zu einem journalistischen Produkt getragen hat. Im Anschluss hat das Team Journalismusstipendien von IJ4EU, dem Journalismfund sowie dem Netzwerk Recherche (Grow) bekommen. Mithilfe dieser Förderungen hat das Team es 2020 geschafft, 15 Millionen Angaben über mögliche Interessenkonflikte von Wissenschaftler*innen automatisiert auszuwerten. In einer gemeinsamen Recherche mit Buzzfeed Deutschland deckte das Projekt auf, wie zehntausende Ärzt*innen Interessenkonflikte verheimlichen: https://www.buzzfeed.de/recherchen/exklusiv-aerzte-unterschlagen-systematisch-interessenkonflikte-90131388.html.
Was mithilfe der Förderungen technisch umgesetzt wurde, könnt ihr hier im Detail nachlesen.
Im Zuge der Veröffentlichung ihrer großangelegten Recherche erlebte Follow the Grant ein umfassendes Medienecho, welches dem Team nach eigenen Angaben sehr bei Folgeanträgen geholfen hat. „Es kommen zudem Journalist:innen auf uns zu, die an einer Zusammenarbeit interessiert sind“, sagt Entwickler Hristio Boytchev.
Und es geht immer weiter: Aktuell wird an zwei Recherchen gearbeitet, die über IJ4EU und Journalismfund Europe finanziert sind und bald erscheinen sollen. Zudem hat Simon Wörpel, der an Follow the Grant mitgearbeitet hat, investigativedata.io gegründet, über die ebenfalls neue Projekte im Rahmen von Follow the Grant durchgeführt werden.
Daneben ist auch das neue Prototype Fund-Projekt Investigating Science eine konzeptionelle Weiterentwicklung von Follow the Grant. Hier geht es jedoch nicht mehr nur um Interessenkonflikte und die Finanzierung von Forschung sondern grundsätzlich um Fragen der Forschungsintegrität, die parallel vor allem mit der Auswertung von bibliographischen Daten bearbeitet werden.
In einem Interview von Hristio Boytchev mit der European Federation for Science Journalism erfahrt ihr noch mehr über die Hintergründe von Follow the Grant: https://efsj.eu/2022/04/19/seeing-high-profile-people-on-the-list-this-was-a-big-breakthrough/.