Open Source Hardware – die neue Revolution?
Open Source Software kennen wir alle bereits, doch habt ihr schon von Open Source Hardware gehört? Wir haben Maximilian Voigt zu Gast, den Gründer des Prototype Fund Hardware. Er führt uns heute in die Open-Source-Hardware-Welt ein und beantwortet uns einige grundlegenden Fragen.
Maximilian Voigt arbeitet seit circa fünf Jahren bei der Open Knowledge Foundation, wo er unter anderem Projekte im Bereich Open Education und Open Source Hardware betreut. Er hat Bildungsprojekte wie „edulabs.de“ oder das „Forum Open Education“ aufgebaut. Aktuell ist Maximilian Voigt der Projektleiter des Prototype Fund Hardware, der im Rahmen des Forschungsprojekts MoFab erprobt wird.
Was ist Open Source Hardware?
Open Source Hardware ist das zur Verfügung stellen eines Designs eines Geräts. Das bedeutet, dass sämtliche Informationen und dazugehörige Dateien veröffentlicht werden. Teil einer solchen Dokumentation ist eine Erklärung, die es ermöglicht, einen Gegenstand zu reproduzieren, zu verändern, zu reparieren und gegebenenfalls anzupassen. Wir haben also auf der einen Seite den physischen Gegenstand, die Hardware, und auf der anderen Seite das Design, welches das digitale Replikat der Hardware ist. Bei Open Source Hardware geht es darum, unter freien Lizenzen, Ressourcen zugänglich zu machen. Da unterscheiden sich Open Source Software und Open Source Hardware erst mal gar nicht, aber wenn wir in die Details schauen, erkennen wir die Unterschiede.
Welche Unterschiede in den Details wären das?
Bei Open Source Hardware haben wir formal-technische und designerische Aspekt. Bei den formal-technischen Aspekten geht es um die Organisation des gesammelten Wissen. Es gibt eine Liste der verwendeten Materialien und die zum Projekt dazugehörigen Dateien. Dann gibt es eine Erklärung, wie man alles zusammenbringt. Des Weiteren wird sich für eine entsprechende Lizenz entschieden und eine Beschreibung hinzugefügt, wie man sich beteiligen kann.
Die designerischen Aspekte beziehen sich darauf, dass ein Gegenstand so gestaltet wird, dass er geöffnet und verändert werden kann. Es ist zum Beispiel wichtig, nicht irgendeinen exotischen Anschluss zu verwenden, sondern eher einen, der weit verbreitet ist. Das kann bedeuten, Normschrauben zu verwenden oder Teile so zu entwerfen, dass sie eher verschraubt als verklebt werden.
Auf welche Art wird das Wissen festgehalten, organisiert und verwaltet?
Da gibt es noch keine beste Lösung. Wenn es um Versionierung geht, wie es bei Software oft der Fall ist, dann werden ganz ähnliche Plattformen verwendet, zum Beispiel GitHub und GitLab. Klassische Wikis kommen auch zum Einsatz. Allerdings wird bei den Wikis aktuell daran gearbeitet diese für Open Source Hardware zu erweitern. Eine Herausforderung ist zum Beispiel die Frage, wie man die Versionierung von Computer Aided Designs (CAD) ermöglichen kann.
Bis wir für den Hardware-Bereich eine finale Lösung haben dauert es noch, denn die Prozesse dahinter sind sehr komplex. Es muss sichergestellt sein, dass Menschen, die eine mittlerweile überarbeitete Version eines Produktes gebaut haben, diese auch weiterhin reparieren können. Dabei ist es wichtig, dass für sie relevante Informationen verfügbar sind. Veränderungen am Design sind nicht so einfach wie bei Code. Eine kleine Veränderung an einem Hardware-Projekt kann bedeuten, dass der ganze Gegenstand neu gebaut werden muss, weil einzelne Teile nicht mehr zusammenpassen. Verbesserungen lassen sich nicht so leicht integrieren, wie bei Software. Deshalb ist es extrem wichtig von Beginn an mitzudenken, dass die Hardware veränderbar und modular gestaltet wird.
Ist es möglich gemeinsam an Hardware-Projekten zu arbeiten und wie gestaltet sich der kollaborative Prozess?
Ja, aber es erfordert ein hohes Maß an Kommunikation und Koordination. Oft reicht digitale Kommunikation nicht aus. Es hilft, wenn jemand die neu diskutierte Version baut und in der Praxis erprobt.
Recht gut passiert das zum Beispiel beim Lasersaur. Das Projekt ist schon relativ alt in der Open-Source-Hardware-Szene und es gibt mittlerweile verschiedene Community Versionen, die sozusagen nebeneinander liegen. Die abgewandelten Versionen wurden also nicht zusammengeführt, sondern existieren als Forks.
Zudem gibt es jetzt erstmals eine Guideline, wie ein solches Feedback basiertes Arbeiten stattfinden kann. Sie wurde vom DIN (Deutschen Institut für Normung) herausgegeben, die DIN SPEC 3105. Das ist eine ziemlich coole Sache, weil das Deutsche Institut für Normung eher dafür bekannt ist, geschlossene Normen hervorzubringen. Die Guideline für Feedback basiertes Arbeiten ist eine der wenigen, die Open Access ist und sich auf Open Source Hardware bezieht. Die DIN SPEC 3105 definiert einen Peer-Review-Prozess, wie gemeinschaftlich und dezentral Hardware-Dokumentationen evaluiert und verbessert werden können. Denn das Problem ist, dass sich jeder eine Dokumentation überlegen kann und diese veröffentlichen kann. Das garantiert aber nicht, dass andere damit in der Lage sind etwas nachzubauen. Bei Open Source Hardware gibt es keine definierte Maschinensprache, sondern vor allem Menschensprache, die unterschiedlich ausgelegt werden kann. Eine Normierung oder ein definierter Feedback-Prozess kann deutlich helfen, Missverständnisse abzubauen.
Woher kommt Open Source Hardware und wo befinden wir uns gerade in Deutschland was Potenziale aber auch Grenzen angeht?
In der Idee ist Open Hardware wesentlich älter als Open Source Software. Schon Lenardo da Vinci und viele andere vor und nach ihm haben ihre Designs geteilt und somit weiche Kriterien von Open Source Hardware erfüllt. Der moderne Begriff Open Source Hardware hingegen ist jünger als der Begriff Open Source Software. Das heutige Konzept von Open Source Hardware ist in den Neunzigern entstanden und hat sich am Konzept von Open Source Software orientiert.
Wenn wir über Grenzen sprechen, dann gibt es viele Rechtsfragen, die noch im Graubereich sind. Zum einen die Frage der Produkthaftung. Wenn Du irgendein Objekt entwickelst und verkaufst und es somit auf den Markt einführst, bist du verantwortlich dafür, dass das Endprodukt sicher ist. Aber: Welche Verantwortung trage ich, wenn ich nur ein Design veröffentliche, an dem andere mitarbeiten und das dann wieder andere nachbauen? Die Produkthaftung ist dafür bisher nicht wirklich ausgelegt.
In einer Studie der EU Kommission zu den wirtschaftlichen Potenzialen von Open Source Software und Hardware wurde Open Source Hardware als die „nächste Revolution“ hervorgehoben. Das sehe ich ganz ähnlich. Wir müssen unsere Wirtschaft umdenken. Open Source Hardware ist in Kombination mit einer Circular Economy oder idealerweise Circular Society ein extrem wichtiger Bestandteil. Offene Technologien können leichter in solche Kreisläufe integriert werden und nachhaltig genutzt und verwertet werden.
Hast du gute, bekannte oder alltägliche Beispiel für Open Source Hardware?
Ganz viel aus unserem Alltag erfüllt weiche Kriterien von Open Source Hardware. Beispielsweise, wenn wir ein Vogelhaus bauen und auf eine Anleitung vom B.U.N.D. zurückgreifen. Auch der DIY Bereich ist voll von kleinen Open-Source-Hardware-Ideen.
Wir haben beim Prototype Fund Hardware eine Galerie aufgebaut, wo wir ein paar Projekte hervorheben, die besonders gute Beispiele für Open Source Hardware sind. Es geht unter anderem um Basistechnologien, die es wiederum anderen ermöglichen, überhaupt erst komplexe technische Gegenstände mit annehmbarem Aufwand zu bauen und vor allem zu reproduzieren.
Weitere Beispiele gibt es in der Energiegewinnung. Da haben wir Ernie, das Windrad-Kollektiv, das ein Open-Source-Hardware-Windrad baut. Das ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie Open Source Hardware basale Bedürfnisse befriedigt und Autonomie jenseits unserer Infrastrukturen ermöglicht. Wichtig ist das besonders in Länder, wo diese nicht existieren. Aber auch in Krisenzeiten, die sicherlich häufiger werden. In eine ähnliche Richtung geht auch Libre Solar. Die bauen ein Inselkraftwerk-System für Solarpanele.
Welche Visionen der Zukunft bietet Open Source Hardware?
Reparatur ist nur ein Aspekt. Wenn wir daran denken, wie wir unsere Wirtschaft umgestalten wollen, auch in Bezug auf den EU Green Deal, dann kann es eigentlich nur mit Open Source Hardware funktionieren. Wir müssen uns Kreisläufe vorstellen, in denen Technologien international als Designs geteilt werden, die an lokale Bedürfnisse anpassbar sind, mit lokalen Materialien produziert und dort dem Markt zugeführt werden können. All diese Aspekte sind mit Open Source Hardware möglich.
Wir müssen es schaffen, dieses Potenzial sichtbar zu machen. Gerade doktern wir nur an Symptomen. Das Recht auf Reparatur zum Beispiel ist nur ein Pflaster. Open Source Hardware wäre die strukturelle Veränderung, die es braucht.
Du arbeitest zusammen mit Daniel am Prototype Fund Hardware. Wie sieht es bei euch aktuell aus und wann startet die nächste Bewerbungsphase?
Die Einreichungsfrist ist abgelaufen und wir haben die ersten sechs Projekte ausgewählt, die aktuell an ihren Prototypen arbeiten. Der Prototype Fund Hardware ist selbst noch ein Prototyp. Wir arbeiten daran, weitere Runden zu ermöglichen. Wer Interesse daran hat, auf dem Laufenden zu bleiben, folgt uns auf Twitter oder Mastodon oder abonniert den OKF- Newsletter.
Das Interview führte Felizitas Fauther