25.Sep 2024

Funding for Future – wie der Prototype Fund wirkt, Teil II

Basierend auf allem, das wir und unser Schwesterprogramm in der Schweiz in den letzten acht (!) Jahren über kluges und wirksames Funding gelernt haben, haben wir im Handbuch “Funding for Future” zusammengefasst, wie leichtgewichtiges, menschenzentriertes Funding funktionieren kann. Weil der Prototype Fund auf eine Laufzeit von acht Jahren ausgelegt war, die sich nun dem Ende neigen, nutzen wir die Gelegenheit, die wichtigsten Inhalte des Handbuchs – und ein paar neuere Erkenntnisse – zu teilen.

In dieser Blogreihe widmen wir uns deswegen 1) der Wirkweise des Programms und den Learnings, die wir daraus gezogen haben, dem Thema 2) Nachhaltigkeit und den Herausforderungen, die uns begegnet sind, sowie 3) unserer Zukunftsvision und der Frage: Was würden wir jetzt anders machen?

Nachhaltigkeit und Herausforderungen

Eine, wenn nicht die größte, Herausforderung in der Innovationsförderung ist die Nachhaltigkeit der geförderten Projekte. Schon in seiner Grundidee fördert der Prototype Fund Nachhaltigkeit: Indem die Förderung Softwareprojekte aus der Freiwilligenarbeit in einen Stand hebt, indem die Entwickler*innen für ihre Arbeit bezahlt werden und sich so – weitgehend von finanziellem oder zeitlichem Druck befreit – voll auf ihre Ideen konzentrieren können. Für die Bewerbung werden grobe Ideen, die oft in der Freizeit erdacht wurden, im Antrag konkretisiert, der im Fall einer Ablehnung ohne großen Aufwand auch an weitere Förderprogramme gestellt werden könnte.

Doch damit ist es längst nicht getan! Innovation zu finanzieren und auszuzeichnen ist ein erstrebenswertes Unternehmen, das vielfach in Förderprogrammen umgesetzt wird. Doch die beste Innovation nützt nichts, wenn sie im Sande verläuft. Die beispielsweise im Prototype Fund entstehenden Technologien müssen genutzt werden, denn vor allem darin besteht ihr gesellschaftlicher Mehrwert.

Und auch wenn sich bei einzelnen Projekten der Nutzen noch mehr daraus ergibt, dass sie von anderen weiterentwickelt und für ihre Zwecke angepasst werden, ist es wichtig, dass sie gut nachgehalten werden. Aktueller, verständlicher und fehlerfreier Code ohne dependencies, die alles zum Einstürzen bringen, kann gut und mit wenig Aufwand in andere Projekte implementiert werden. Code, der seit drei Jahren nicht angeschaut wurde oder den man gar nicht erst findet, ist hingegen wenig nützlich.

Coden und gesehen werden

Aber zurück zur Nutzbarkeit: Um Technologien in die Nutzung zu bringen, ist es wichtig, ihnen eine Öffentlichkeit zu bieten und sie bekanntzumachen. Dies generiert einerseits Nutzer*innen, sorgt aber auch ganz allgemein dafür, dass der Code potenziell weitergenutzt, verbessert, angepasst und gewartet wird. Weil Entwickler*innen nun aber vor allem entwickeln, fehlen oft die Ressourcen oder auch Fähigkeiten, sich um entsprechende Maßnahmen zur Bekanntmachung zu kümmern. Hier ist es wichtig, dass Förderer diesen Part übernehmen oder aber Ressourcen dafür bereitstellen. Im Prototype Fund versuchen wir unseren Geförderten im Blog, im Podcast, auf Mastodon oder LinkedIn, aber auch bei Events Gehör zu verschaffen und sie so bei Menschen und Institutionen auf den Radar zu bringen, mit denen sie sonst kaum in Kontakt kämen. Dies kann wichtige Kontakte für die Projekte bringen, beispielsweise zu anderen Förderern.

Aber es gibt viele Wege, den Projekten ein Fortbestehen auch über den Förderzeitraum hinaus zu ermöglichen. Dafür werden sie im Prototype Fund bei der Suche nach Finanzierung und im Aufbau von nachhaltigen Strukturen, z. B. in Form von Communities, unterstützt. Häufig bestehen Tech-Communities jedoch schon und es ist schwierig, neue Strukturen aufzubauen – deswegen ist es ein Anliegen, bestehende Communities mit den Förderprojekten bekannt zu machen und die Gruppen miteinander zu vernetzen. Je länger ein Förderprogramm besteht, desto größer wird das Alumni-Netzwerk und desto stärker die Vernetzung in der Open-Source-Welt – nicht zuletzt weil die Mitarbeitenden des Programmteams in der Regel professionelle Netzwerke aufbauen, die auch den Geförderten zugutekommen.

Dependence Day

Im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit sind zudem Abhängigkeiten nicht zu unterschätzen. Damit sind einmal Abhängigkeiten von Akteur*innen wie Verwaltungen gemeint, die über die Nutzbarkeit einer Software entscheiden können, etwa weil Daten (nicht) zur Verfügung gestellt werden oder die entsprechenden Institutionen wenig offen für technologische Innovationen auftreten. Hier muss entsprechend Kontakt aufgebaut und

Beziehungspflege betrieben werden. Darüber hinaus ist es überaus wichtig, dass Daten von öffentlichem Interesse auch unter freien Lizenzen in offenen und maschinenlesbaren Formaten automatisiert als Open Data bereitgestellt werden – was beispielsweise in Deutschland auf Länderebene unterschiedlich gut klappt.

Andererseits sind auch technische dependencies gemeint: Gerade Open-Source-Software baut auf bestehenden Softwarekomponenten wie z. B. Bibliotheken auf. Werden diese nicht nachhaltig instand gehalten, führen die sogenannten dependencies häufig zu Frust, weil gegebenenfalls Mehraufwand für die Behebung von Fehlern betrieben werden muss. Diese Fehler können zudem enorme Sicherheitsrisiken bergen. 

Der Prototype Fund versteht sich auch und vor allem als Programm, von dem Menschen profitieren sollen. Deswegen ist die Nachhaltigkeit eines Projekts nicht nur von dessen Erfolg abhängig und bezieht sich nicht allein auf die Software: Auch wenn ein Projekt als solches “scheitert”, haben die Entwickler*innen neue Fähigkeiten erlernt und ihr Netzwerk gestärkt. Welche Kriterien überhaupt bestimmen, wann ein Projekt als “gescheitert” zu betrachten ist, ist dabei offen: Werden nicht alle Meilensteine erreicht – aber dafür wird Upstream ins Open-Source-Ökosystem gegeben? Kann ein Projekt in der angedachten Form schlichtweg nicht umgesetzt werden – aber dafür kann der Ansatz im Rahmen einen anderes Projekts weiterverfolgt werden? Bei der Frage nach dem (Nicht-)Erfolg ist die Antwort nicht immer eindeutig.

Auch wir kommen an unsere Grenzen

Eine Herausforderung des Programms besteht darin, neue Akteur*innen, die nicht bereits Teil der “Szene” sind, sowie Menschen aus in der Softwareentwicklung unterrepräsentierten Gruppen zu erreichen. Um besser darin zu werden, probieren wir regelmäßig neue Formate aus, z. B. Bewerbungssprechstunden für FLINTA* oder die direkte Ansprache von Gruppen, in denen sich PoC vernetzen. Der Erfolg ist dabei (noch) überschaubar, weswegen wir uns immer über Anregungen freuen (gern per Mail).

Was der Prototype Fund als dezidiertes Innovationsförderprogramm in seiner bestehenden Form definitiv nicht leisten kann, ist die mittel- und langfristige Förderung der Softwareprojekte. Sobald die Förderphase vorüber ist, können die Entwickler*innen natürlich nach eigenem Ermessen und Aufwand an den Projekten weiterarbeiten, sich um eine weitere Förderung bemühen, ihr Projekt zu einem Community-Projekt umwandeln, ein Geschäftsmodell darum aufbauen oder eine institutionelle Kooperation, z. B. mit einer Universität, anstreben. Den Projekten dies mitzugeben, ist eine der entscheidenden Aufgaben des Programms – den Weg in die Nachhaltigkeit wirklich zu ebnen ist jedoch in der kurzen Zeit der Förderung oft nur schwer zu bewerkstelligen.

Was es also braucht, ist (für uns) klar: Langfristige Kernfinanzierung von Open-Source-Software als souveräner Gegenentwurf zur Abhängigkeit von einigen wenigen Softwareriesen auf individueller und gesamtgesellschaftlicher Ebene.

Funding for Future – wie der Prototype Fund wirkt, Teil II