17.Sep 2024

Selbstbestimmt senden mit freier Software!

Podcasts sind aus dem Internet nicht wegzudenken. Das Medium ist dabei noch eines der wenigen Online-Formate, welche nicht ausschließlich über zentrale Plattformen angeboten und konsumiert werden können. Damit das auch so bleibt, braucht es Freie und Open-Source-Softwarelösungen wie Podlove, deren Weiterentwicklung in der 15. Runde Prototype Fund gefördert wird. Wir haben mit dem Team dahinter gesprochen.

Podcasts sind ja eigentlich nur Audio-Dateien. Was macht einen Podcast denn zu einem Podcast?

Das stimmt, zuerst einmal sind Podcasts einfach nur Audio-Dateien, die jemand ins Netz auf einen Server oder die eigene Website geladen hat. Da kann ich als Hörer*in dann hingehen und mir die Datei anhören. Ich muss dann aber immer regelmäßig gucken, ob es eine neue Datei gibt und wenn ich viele solcher Seiten im Blick behalten will, bin ich ständig nur am Seiten abklappern. Das Tolle an Podcasts ist, dass mir diese Arbeit abgenommen wird. Wer noch Blogs kennt, wird sich erinnern, dass ich da auch nur einmal die Adresse eines Blogs in meinem „Blogcatcher“ speichern muss und immer wenn ein neuer Text erscheint, wird mir der im Blogcatcher angezeigt. Das ganze funktioniert über eine kleine Datei, die sogenannte RSS-Datei. Da steht drin, welche Texte schon erschienen sind und die wird immer aktuell gehalten, wenn ein neuer Text erscheint. Da guckt der Blogcatcher nach und lädt die neuen Texte runter. Und das nicht nur bei einem Blog, sondern bei allen, die ich abonniert habe. Und bei Podcasts ist es ganz genauso. In der RSS-Datei steht dann drin, wenn es eine neue Folge gibt und wo die Audio-Datei dazu liegt. Und statt einem Blogcatcher kann ich dann mit meinem Podcatcher alle Podcasts abonnieren, bei denen ich keine Folge verpassen möchte. Podcasts sind also eine sehr gut abgehangene Web-Technik, die es schon seit Anfang der 2000er Jahre gibt.

Wieso ist es so verbreitet, Podcasts über dezentrale Wege zu beziehen?

Auch das hat mit der Geschichte der Blogs zu tun. Da Podcasts auf der Blogtechnik RSS aufsetzen, waren auch Blogger*innen oder andere Enthusiast*innen mit die ersten, die das neue Medium ausprobiert haben. Am Anfang drehte sich noch viel um das Medium selbst, aber schon früh haben gerade in den USA viele Menschen, deren Themen sonst nicht in den Medien auftauchten, Podcasts als ihr Sprachrohr entdeckt. Von queeren Lebensentwürfen bis zu alternativer Rockmusik oder drei Englischlehrern, die die Besonderheiten ihrer Sprache diskutierten, war alles dabei. Das Tolle war auch hier, dass man kein großes Equipment brauchte, um loszulegen. 2005 hat Apple dann sein Podcastverzeichnis in iTunes integriert, und das ist bis heute so eine Art Telefonbuch der Podcasts weltweit. Die Podcasts liegen weiterhin dezentral auf den Servern ihrer Macher*innen, aber über das Verzeichnis können alle weltweit meinen Podcast finden. Durch den zeitunabhängigen Konsum der Podcasts ist die Anbindung meines Servers fast zweitrangig und da der Zugang im Podcastverzeichnis von Apple für alle gleich ist, kann mein kleines Hobbyprojekt direkt neben einem öffentlich-rechtlichen Angebot stehen. Die Quelle spielt keine Rolle. Solange ich sichtbar bin über meinen RSS-Feed, kann mein Podcast mit jedem Podcatcher gehört werden.

Welchen Beitrag leistet Podlove dazu? Und warum gibt es Podlove überhaupt?

Hier müssen wir auf jeden Fall Tim Pritlove erwähnen, der nicht nur einer der ersten Podcaster im deutschprachigen Raum war, sondern sich auch früh darum bemüht hat, eine offene Community von Podcastbegeisterten aufzubauen. Am Anfang saß jede*r ja ziemlich allein im Hobbystudio und kannte zwar die anderen Podcaster*innen vom Hören, aber sich mal zu treffen, das war schon was Besonderes. Tim hat zunächst Indie-Entwickler*innen zu einem Workshop eingeladen, mit dem Ziel, Podcasting einfacher zugänglich zu machen. Aus diesem Workshop ist dann die Subscribe entstanden, die älteste deutschsprachige Podcastkonferenz, die auch dieses Jahr wieder stattfindet. Bei einem dieser ersten Treffen haben sich dann Tim und Eric Teubert kennengelernt. Eric ist bis heute einer der Hauptentwickler von Podlove. Ihre gemeinsame Idee war folgende: Da Podcasts und Blogs durch den RSS-Feed eng verwandt sind lag die Idee nahe, die Plattform zu benutzen, die viele schon vom Bloggen kennen. Und so haben sie das Podlove-Plugin für WordPress entwickelt. Ähnliche Lösungen gab es bereits in den USA, aber der offene und Community-basierte Ansatz war und ist einzigartig. Inzwischen ist Podlove eine ganze Sammlung von Plugins. Zentral ist das Modul „Publisher“, das das Anlegen und Einrichten des Podcasts sowie das Publizieren ermöglicht. Das zweite große Modul ist der Webplayer, der auch neue Standards dafür gesetzt hat, wie Audio und vor allem Podcasts im Web abgespielt werden können. Nebenbei kann er  Zusatzinfos wie Tranksripte und Kapitel anzeigen. Gerade Kapitelmarken sind so ein Ding, das Podlove von Anfang an mit gepusht hat. Viele solche Komfortfeatures für die Hörer*innen sind genau dadurch entstanden, dass die Leute hinter Podlove auch einfach gerne selber Podcasts hören. Deswegen gibt es auch als drittes Modul den Subcribe-Button, der das Abonnieren des Podcasts sehr leicht macht und sogar die passende App auf dem jeweiligen Gerät vorschlägt. Über die Jahre haben total viele Entwickler*innen und Designer*innen am Projekt mitgearbeitet und haben neue Ideen und Inhalte beigetragen, sodass sich Podlove immer weiter entwickelt.

Woran arbeitet ihr in der Förderung durch den Prototype Fund?

Unser Ansatz war, den Einstieg in den Podlove Publisher einfacher zu machen. Der Publisher sorgt dafür, dass ich über WordPress meinen Podcast hosten und Folgen publizieren kann. Obwohl die Logik und Architektur des Plugins schon immer einfach sein sollte, haben wir gemerkt, dass viele, die nicht aus der Hacker*innenecke kommen oder für die die Software hinter dem Podcast erst mal zweitrangig ist, dann doch eher zu einem Hoster gegangen sind, um dort zu veröffentlichen. Wir fanden das schade, denn einerseits hat man dort oft nicht alle Möglichkeiten, die der offene Podcast-Standard bietet und den Podlove unterstützt – so etwas wie Transkripte oder Kontributor*innen – und andererseits auch nie so ganz die Kontrolle über seine Daten. Oft hat man keinen direkten Zugang zu seinen Audiofiles und wenn der Hoster irgendwann mal dicht macht oder – wie im Fall von X – plötzliche neue Leute mit furchtbaren Ansichten das Ruder übernehmen, kann man nicht so einfach mit seinem Podcast und den Hörer*innen dort weg. Daher haben wir uns beim Prototype Fund darum beworben, einen Onboarding-Assistenten für den Publisher zu entwickeln, der dabei helfen soll, den eigenen Podcast aufzusetzen oder einen bestehenden Podcast in die eigene WordPress-Instanz umzuziehen. Ganz wichtig war uns dabei, dass die Schritte klar und verständlich dargestellt werden und einladend wirken. Dabei haben uns auch die Coaches von Superbloom enorm geholfen durch einen professionellen Blick von außen. Und natürlich haben wir unsere Community über die Entwicklungen informiert und Feedback eingeholt. Wir hoffen, dass wir mit diesem neuen Einstieg noch mehr Leute davon überzeugen kann, ihre Inhalte und Podcasts selbst zu hosten und wieder mehr Datenhoheit zu erlangen.

Seht ihr den offenen Podcast-Standard bedroht?

Vielleicht weniger den Standard an sich als das Wissen darum. Auch die großen Plattformen wie Spotify nutzen noch den RSS-Feed, aber für die User*innen ist der fast nicht mehr zu erkennen. Wir sind inzwischen so daran gewöhnt, dass Apps und Websites uns alles schön präsentieren, dass wir gar nicht mehr verstehen müssen, wo und was mit unseren Daten passiert. Gerade beim Podcasten ist das aber immer noch sehr einfach und transparent. Es gibt sogar Podcaster*innen, die schreiben sich ihren RSS-Feed selbst, am Ende ist das ja nur eine Textdatei. Ganz so „back to the roots“ muss es nicht sein, aber wir freuen uns über jede*n der*die sich um den eigenen Podcast und alles, was damit zusammenhängt, bemüht. Das Netz ist von Anfang so konzipiert gewesen, dass sich ganz viele Rechner und Server zusammenschließen und es möglichst keinen Unterschied macht, ob ich als Privatperson eine Seite hoste oder als Unternehmen. Das würden wir gerne wieder mehr in den Vordergrund stellen und Leute animieren, selbst zum Hoster zu werden. Podcasts sind dafür ebenso wie Blogs perfekt geeignet und wir wollen das unterstützen. Dazu gehört aber auch, das Thema immer wieder auf die Bildfläche zu holen und da müssen wir auch noch besser werden. Leute müssen erfahren, dass sie ihre Inhalte selber hosten können und dass es da draußen auch eine große Community gibt, die dabei gerne hilft.

Was kann man tun, um das offene und dezentrale Angebot von Podcasts zu unterstützen?

Zuallererst: Probiert Podlove aus, gebt uns Feedback und tauscht euch mit Gleichgesinnten aus. Mit dem Sendegate gibt es ein tolles Forum (das übrigens auch über den Podlove-Dunstkreis entstanden ist), in dem jede*r Hilfe findet, der oder die nett fragt. Erzählt anderen von der Möglichkeit, selbst den eigenen Podcast zu hosten und haltet die Augen offen, wie ihr auch in anderen Bereichen unabhängig von großen Playern im Netz sichtbar und aktiv sein könnt. Es macht nämlich auch großen Spaß, selbst ein Teil des Netzes zu sein.


Podlove ist eine Initiative zur Verbesserung der technischen Infrastruktur für Podcasts. Podlove ist sowohl ein Netzwerk für Entwickler*innen, um neue Features zu diskutieren und sich auf Standards zu einigen, als auch ein Inkubator für Software und Dateiformate unter dem Namen Podlove.

Selbstbestimmt senden mit freier Software!