Welche gesellschaftliche Herausforderung adressiert euer Prototyp?
Das World Wide Web wurde ursprünglich barrierefrei entworfen, doch spätere Entwicklungen haben Barrierefreiheit vernachlässigt oder völlig außer Acht gelassen. Nachrichtenseiten, Microblogging-Dienste, Videoplattformen oder Veröffentlichungen von Behörden berücksichtigen Menschen mit Sehbehinderung oder mit eingeschränktem Textverständnis kaum – oder schließen sie letztendlich aus. Der Mangel an Inklusion und Barrierefreiheit zeigt sich besonders deutlich seit Beginn der Pandemie, in der digitale Dienste eine zentrale gesellschaftliche Rolle einnahmen. Dabei wurde deutlich, dass Plattformen zur digitalen Aus- und Weiterbildung hohe Barrieren aufweisen. Ob in der Schule, der Universität oder bei der Nachhilfe und beruflichen Weiterqualifizierung: Menschen mit Behinderungen werden zu Lernenden zweiter Klasse. Häufig leidet sowohl ältere, etablierte Software als auch Neuentwicklungen an der Designschwäche, dass sie Barrierefreiheit als Zusatzfunktion definieren, die nachlässig neben dem eigentlichen Angebot bedient wird. Es fehlen immer noch technische Lösungen, die Menschen nicht in Bedürfnisgruppen teilen, sondern gleichwertig und auf Augenhöhe ansprechen. Luna LMS will genau dieses Problem angehen – das multimodale Lern-Management-System ist von Grund an auf Barrierefreiheit ausgelegt. Es ermöglicht auf einfache und konsequente Weise die Erstellung digitaler Kurse, die gleichermaßen zugänglich sind: Für blinde und sehende Menschen; für Menschen, die besser mit reinem Text lernen und jene, die besser mit zusätzlichen Visualisierungen lernen – und für Menschen, die lieber in Leichter Sprache lernen und Menschen, die in Standardsprache lernen wollen. Alle Lernenden können die Modi selbst einstellen und jederzeit wechseln.
Wie geht ihr das Problem an?
Unser Ziel ist es, eine robuste, leicht zu wartende und zu erweiternde Plattform zu bauen, die nachhaltig nutzbar ist. Das Grundsystem folgt einer klassischen Client-Server-Architektur, mit Datenverarbeitung auf dem Server. Die Interaktion erfolgt per REST über an Browser ausgespieltes HTML und Medieninhalte, optimiert für Desktop und Mobilgeräte. So kann eine breite Palette an Geräten und Browsern unterstützt werden. Updates sind nur serverseitig notwendig. Die Plattform wird in Python unter Einsatz des Web-Frameworks CherryPy entwickelt. Da die Inhalte sich relativ selten ändern, kommen Caching-Techniken zum Einsatz. Das System kann damit auf eine große Anzahl Nutzender skalieren. Die Lernkurse werden einzeln in SQLite-Datenbanken mit einem dokumentierten, erweiterbaren Schema abgelegt. Es entsteht eine Datei pro Kurs, die trivial zwischen Luna-Installationen als Open Educational Resource austauschbar ist. Eine Gliederung der Kurse in Lernbausteine, Lerneinheiten und Kurseinheiten ermöglicht – und erzwingt – einen parallelen Kursaufbau in verschiedenen Modalitäten. Ausgespielte Abschnitte mit speziellen Anpassungen etwa für Sehende, für Screenreader-Nutzer*innen oder Lernende in Leichter Sprache sind miteinander verknüpft und können im Zusammenhang erstellt werden.
An wen richtet sich euer Tool?
Als Open-Source-System richtet sich Luna LMS direkt an die Zivilgesellschaft. Erste Zielgruppe sind gemeinnützige Vereine und Initiativen, die bereits Bildungsarbeit leisten. Bildner*innen können mit Luna LMS ihr Material digital und barrierefrei anbieten.