Funding for Future – wie der Prototype Fund wirkt
Das Ziel des Prototype Fund besteht nicht nur darin, möglichst viele erfolgreiche Open-Source-Anwendungen hervorzubringen, sondern auch ein Ökosystem für technologische Projekte mit gesellschaftlichem Mehrwert in Deutschland und Europa zu fördern. Dafür braucht es neben Innovationsförderung wie im Prototype Fund auch Unterstützung für: Projekte, die schon laufen, die nicht gründen wollen, die doch gründen wollen, die hohen Maintenance-Aufwand haben, auf denen viele andere Technologien aufbauen, die viel an das Open-Source-Ökosystem zurückgeben und und und. Kurzum: Es braucht gute und funktionierende Förderung für Open-Source-Software.
Basierend auf allem, das wir und unser Schwesterprogramm in der Schweiz in den letzten acht (!) Jahren darüber gelernt haben, haben wir im Handbuch “Funding for Future” zusammengefasst, wie leichtgewichtiges, menschenzentriertes Funding funktionieren kann. Weil der Prototype Fund auf eine Laufzeit von acht Jahren ausgelegt war, die sich nun dem Ende neigen, wollen wir die Gelegenheit nutzen, die wichtigsten Inhalte des Handbuchs – und ein paar neuere Erkenntnisse – zu teilen.
In dieser Blogreihe widmen wir uns deswegen 1) der Wirkweise des Programms und den Learnings, die wir daraus gezogen haben, dem Thema 2) Nachhaltigkeit und den Herausforderungen, die uns begegnet sind, sowie 3) unserer Zukunftsvision und der Frage: Was würden wir jetzt anders machen?
Wir hoffen damit, möglichst viele potenzielle Macher*innen und Förder*innen zu erreichen und zu ermutigen, neue Wege im Funding zu gehen, sich für Förderprojekte stark zu machen und immer selbst weiterzulernen!
Wirkweise der Förderung
Der Prototype Fund verfolgt einen interdisziplinären und offenen Innovationsansatz. Menschen werden befähigt ihre gemeinwohlorientierten Tech-Ideen umzusetzen, indem ihnen Zeit finanziert wird – und sie werden darüber hinaus mit Coachings, Beratung und Zugang zu einem umfassenden Netzwerk unterstützt.
Es wird ein Experimentierraum für gemeinnützige Tech-Projekte geboten. Risiken können explizit eingegangen werden, der Umgang mit und der Austausch über den Moment des Scheiterns werden gefördert. Wir sind davon überzeugt, dass mehrere Runden des Erprobens und Scheiterns fest zum Entwicklungsprozess innovativer Lösungen gehören. Die klassische Förderkultur ist aber oft auf Ergebnisse und die Kontrolle dieser Ergebnisse ausgerichtet. Uns hingegen war es wichtig, ein Umfeld zu schaffen, in dem Menschen Zeit und Raum erhalten, um Ideen nachzugehen, zu explorieren und auch Fehler zu machen.
“Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert im Rahmen dieser Richtlinie das Innovationspotenzial freier Programmiererinnen und Programmierer in Deutschland, um dieses Potenzial vor dem Hintergrund der wachsenden Durchdringung unserer Gesellschaft mit neuen digitalen Technologien und datengetriebenen Anwendungen zielgerichteter zu nutzen”, so unsere Förderrichtlinie. Zu experimentieren ist vor diesem Hintergrund unabdingbar. Von den großen Marken des Silicon Valley hört man immer wieder, dass Mitarbeitende Ideen entwickeln und explorieren dürfen – ohne dass sofort Marktreife und Profit erwartet werden. Warum sollte es für Personen aus der Zivilgesellschaft anders sein? Und zahlreiche Innovationen wurden im Laufe der Geschichte überhaupt auch nur zufällig erfunden.
Wenn Förderprojekte also Meilensteine umwerfen oder der Zeitplan sich ändert, ist das keine Katastrophe. Wir möchten darüber Bescheid wissen und sprechen darüber, was die Gründe sind (im Open-Source-Kontext sind beispielsweise ja auch oft genug dependencies die Ursache von Verzögerungen), es gibt aber keinerlei negativen Konsequenzen für die Geförderten. Und übrigens: Diese Vorgehensweise wird nicht ausgenutzt, in den allermeisten Fällen wollen Menschen nämlich wirklich etwas erreichen.
Mit dieser Förderlogik fungiert der Prototype Fund als bislang einzigartiges Modell dieser Art im Bereich Technologieförderung – das Prinzip kann jedoch auf zahlreiche weitere Felder mit gesellschaftlichem Mehrwert übertragen werden!
Aus den schriftlichen Umfragen, die nach Ende der Förderlaufzeit von den geförderten Projekten beantwortet werden, geht deutlich hervor, dass der Prototype Fund mit Coachings, Beratung und Netzwerkangeboten für die Teilnehmenden einen Mehrwert stiftet, der über die finanzielle Unterstützung hinausgeht.
So können die Geförderten Wissen erwerben und Kontakte knüpfen, die lange über die Förderzeit hinaus hilfreich für sie sind. Die Programmstruktur mit gegenseitigem Feedback und Ermutigung hilft den Projektteams während der Förderzeit, kontinuierlich und intensiv am Projekt zu arbeiten. Diese agile und menschenzentrierte Herangehensweise wird sehr geschätzt. Durch die enge Beziehung zwischen Programmteam und Geförderten kann das Team des Prototype Fund auch als Korrektiv fungieren, das mit Feedback-Runden und Nachfragen, beispielsweise zu User Testing und langfristiger Projektentwicklung, auf mögliche Leerstellen hinweisen kann.
All diese Faktoren führen dazu, dass die Teilnehmenden ihre Fähigkeiten weiterentwickeln können, sich nicht im Ehrenamt überanstrengen und eine intrinsische Motivation für ihr Projekt beibehalten.
Außerdem hat sich der niedrigschwellige Ansatz im Antragsprozess bewährt: Drei Seiten initialer Antrag statt 30, administrative und fachliche Unterstützung vom ersten bis zum letzten Schritt. So konnte das Ziel des Prototype Fund erreicht werden, förderferne Zielgruppen zu mobilisieren: 83 % der Geförderten, die für eine externe Evaluation 2023 befragt wurden, gaben an, keine oder geringe Kenntnisse in Bezug auf Förderprogramme zu haben. Die umfassende Beratung und Betreuung durch das Team des Prototpe Fund und des DLR-Projektträgers zahlt sich aus – und wird von den Geförderten ebenfalls sehr geschätzt!
Neben der Niedrigschwelligkeit zeichnet sich das Programm auch durch Leichtgewichtigkeit aus. Die Höchstfördersumme von 47.500 € rangiert eher am unteren Ende der Förderbeträge – es zeigt sich aber, dass auch diese Summen für die Geförderten unerlässlich sind. In den Befragungen im Rahmen der externen Evaluation wurden unter anderem Bewerber*innen befragt, deren Projekte nicht für die Förderung ausgewählt wurden. Es stellt sich heraus, dass sie ihre Ideen ohne Förderung in der Regel “meist ehrenamtlich, sporadisch und über einen längeren Zeitraum hinweg [umsetzen], was sich auf die Qualität und die Nutzbarkeit der Ideen auswirkt” (S. 3).
Bezüglich des Erfolgs der Projekte (sowohl in der Bewerbung als auch in der Umsetzung) wird deutlich, dass interdisziplinäre Teams die besten Karten haben. Darüber hinaus gibt es aber weitere Erfolgsfaktoren, wie Netzwerke bzw. der Anschluss an bestehende Communities, geschützte Räume für Mitglieder von in der Softwareentwicklung unterrepräsentierten Gruppen und Möglichkeiten der dezentralen internationalen Kooperation.
Neben diesen Erfolgsfaktoren und positiven Wirkweisen sind uns in den vergangenen Jahren auch Herausforderungen begegnet, denen wir uns im zweiten Teil der Reihe widmen.