Social Media, Kunst und Kultur: Chancen und Fallstricke
Es geht an niemandem vorbei, dass sich soziale Netzwerke verändern. Ist es eine langersehnte Veränderung zurück zu den prä „Facebook gehört alles“-Zeiten? Und können wir hoffnungsvoll sein auf das, was kommen kann? Mit besonderem Blick auf den Kunst- und Kultursektor soll dieser Blogpost die bisherigen Chancen und Fallstricke von Social Media behandeln und mögliche neue Potentiale aufweisen.
Spätestens während der Pandemie haben wir alle verstanden, wie wichtig Kunst und Kultur für uns sind – als Inspiration, Unterhaltung und auch Ablenkung. Als Kunstschaffende ihre Arbeitsgrundlagen verloren, mussten sie erneut kreativ werden. Die Lösung schien simpel: Soziale Netzwerke. Instagram Live, Zoom-Workshops und Kinofilmstarts über Streamingdienste. Auch beim Prototype Fund haben wir Lösungen gefördert, die digitale Partizipation ermöglichen. Einige Beispiele wären die digitale Bühne, die XR-Event-Plattform oder Cooarchi. Für jemanden, dem der Zugang zu kultureller und künstlerischer Unterhaltung gefehlt hat, waren diese Lösungen großartig. Doch welchem Druck Künstler*innen durch soziale Netzwerke und die digitale Welt ausgesetzt sind, wird selten thematisiert.
Viele der Plattformen, die wir nutzen, sind proprietär. Sie werden von einer Firma geleitet, haben intransparente Regelungen, nutzen fragwürdige Algorithmen und schalten Werbung auf Kosten unserer Aufmerksamkeit. Wie wirkt sich das auf Künstler*innen aus?
Häufig nutzen Kunst- und Kulturschaffende soziale Netzwerke und Plattformen, um eine direkte Außenkommunikation und -wirkung zu kreieren. Sie haben die Chance, ihren Followern Echtzeit-Updates zu geben und Feedback zu erhalten. Genau so können sie sie über Termine und Events auf dem Laufenden halten. Der wichtigste Punkt ist aber natürlich, dass sie ihre Kunst online teilen können. Sie können sich eine virtuelle Gemeinschaft und Landschaft aufbauen, die zu ihnen passt und den Austausch untereinander fördert. Dieser Teil der Arbeit ist jedoch schwer umzusetzen, wenn man gegen Algorithmen, Bots, gekaufte Reichweite und Trends ankämpfen muss. Das bedeutet, zusätzlich zum Künstler*in sein werden sie zu Social Media Manager*innen. Um die teilweise hart erarbeitete Reichweite beizubehalten, muss geplant werden, wann man wie viel teilt, und das bis ins kleinste Detail. Ein Beitrag auf Instagram? Welches Format sollte dieser haben? Welches Format unterstützt die Plattform im Moment am meisten? An welchem Tag und zu welcher Uhrzeit sollte geteilt werden, und wie sollten die Bildunterschrift und Hashtags lauten? Kurzgefasst: Wie kann mein Beitrag viral gehen?
Wenn trotz all dieser Planung der Algorithmus die*den Künstler*in fallen lässt, beginnt hier der Teufelskreis. Übersetzt bedeutet das nämlich mehr Arbeit für weniger Ergebnis, die man dennoch aufrecht erhalten muss. Denn mit Social Media aufzuhören, bedeutet heute, komplett aus dem Blickfeld zu geraten. Doch gerade für Kulturschaffende braucht es eine Plattform, über die sie Menschen informieren können.
Es braucht Lösungen, die uns wieder auf die Inhalte und den Menschen dahinter lenken und nicht darauf, ob sie es geschafft haben, den Algorithmus zu knacken. Es gibt einige föderalisierte Alternativen, die zu vielen bekannten sozialen Netzwerken neue Plattformen bieten. Eine wäre zum Beispiel Mastodon. Sie haben häufig bessere Richtlinien, es gibt kein Machtmonopol hinter den Plattformen, und keinen abhängig-machenden Algorithmus. Es finden sich Menschen, die ein ehrliches Interesse an Beiträgen haben und Teil von Communities sind oder es werden möchten.
Durch föderierte soziale Netzwerke, die wieder den Fokus auf soziales Netzwerken legen, bietet sich Menschen die Chance, ein gesundes Verhältnis zu ihrer Internetpräsenz aufzubauen. Die Inhalte, die geteilt werden, unterliegen nicht länger einem unsichtbaren Regelwerk sondern den persönlichen Wünschen des Creators. Für Kunst- und Kulturschaffende bildet sich hier ein Potenzial zum Entschleunigen. Doch auch, wenn ein föderiertes soziales Netzwerk, das unabhängig ist und vernünftige Richtlinien hat, deutlich besser und gesünder klingt, verlangt es einiges an Arbeit.
Die Kunst- und Kulturschaffenden müssen sich eine neue Strategie des Community-Buildings überlegen. Sie müssen versuchen, auf andere Arten und Weisen über ihre feste Audienz hinaus zu wachsen. Außerdem kann es passieren, dass ihnen Einnahmequellen wegfallen, wenn sie keine Werbung über diese Netzwerke schalten können. Und im schlimmsten Fall kann der fehlende Algorithmus gegen sie arbeiten, wenn die Community zu klein und zu nischig ist. Gleichzeitig können unabhängige soziale Netzwerke dazu führen, dass die Konkurrenz sowie der Druck Trends zu befolgen weniger wird. Diese (Wunsch-)Entwicklung kann bedeuten, dass wir zu mehr Authentizität und Einzigartigkeit zurückkehren und sich die Qualität der Kunst steigert.
Es lässt sich festhalten, dass soziale Netzwerke für Menschen, die von sozialer Interaktion abhängig sind, nicht wegzudenken sind. Dennoch brauchen wir neue Lösungen, die uns mehr Kontrolle und Autonomie geben: Plattformen, die nicht gegen uns arbeiten, sondern uns befähigen und uns dabei unterstützen, uns zu vernetzen. Die Freude am Teilen muss zurückkommen und nicht eine einzige Businessstrategie sein.