Migr-ai-tion
Wir machen die Entwicklung von KI-Technologien zu einem partizipatorischen Prozess.
Welche gesellschaftliche Herausforderung adressiert euer Prototyp?
Datenkolonialismus ist eine aktuelle Manifestation dessen, wie globale Ungleichheiten durch die neoliberale Ausrichtung der Tech-Industrie verstärkt werden. Das blinde Vertrauen, das in KI-Software gesetzt wird, um „objektive“ Urteile zu liefern, erinnert an die Zusammenarbeit zwischen der Wissenschaft und dem ehemaligen europäischen Kolonialprojekt, um „objektivistische“, wissenschaftliche Begründungen für die Kolonisierung und das Studium „anderer“ Völker und Kulturen zu liefern. Der aktuelle Entwicklungstrend bei Computer Vision und KI-Technologien zielt oft auf die Überwachung von Migrant:innen, Minderheiten und Niedriglohnarbeiter:innen ab. Flüchtlingslager in Europa sind zu einem Testfeld für biometrisches Tracking geworden, während Flüchtlinge teilweise auch die Arbeitskräfte für das Training von Bilderkennungstechnologien, etwa für selbstfahrende Autos, darstellen. Hinter diesen Themen steht die problematische Aufteilung zwischen denen, die Zugang zu Wissen haben oder es repräsentieren können, und denen, die es nicht haben. Aktuelle Computer-Vision-Technologien sind nicht „objektiv“, sondern werden darauf trainiert, eine voreingenommene, westlich-zentrierte und männliche Perspektive zu multiplizieren, ein Phänomen, das für die Repräsentation von transnationalen Menschen in der zukünftigen Medienlandschaft gefährlich ist. Um dem Datenkolonialismus zu begegnen, ist es wichtig, Datenkompetenz zu fördern und korrigierende und partizipative Prozesse zur Erstellung von Datensätzen zu entwickeln.
Wie geht ihr das Problem an?
Es ist von Bedeutung, dass Menschen über die Themen der versteckten KI-Voreingenommenheit aufgeklärt werden. Diese Sensibilisierung ist von grundlegender Bedeutung, um Migrant:innen eine Stimme in der zukünftigen Medienlandschaft zu geben. Gegenwärtig werden Bilddatensätze durch Plattformarbeit von Arbeiter:innen im globalen Süden erstellt, was die in kolonialen Traditionen verwurzelten neoliberalen Verstrickungen verstärkt.
Ich werde deswegen gemeinsam mit Migrant:innen einen Bilddatensatz für zukünftige Computer-Vision-Technologien aufbauen. Die App wird eine interaktive Datenvisualisierung eines Computervision-Wortindex enthalten, zu dem Benutzer:innen beitragen können. Die ersten Beispieldaten von mindestens 500 Bildern werden in Zusammenarbeit und Beratung mit Migrant:innen, Flüchtlingen, Expert:innen und Aktivist:innen erstellt. Mein Ziel ist es, den Aufbau von KI-Technologien neu zu imaginieren, da partizipatorische Prozesse historische Brüche und Traumata durch neue Formen des Geschichtenerzählens heilen. Der Datensatz wird für zukünftige Forschungs-, Dokumentar- und Kunstprojekte zum Thema Migration zur Verfügung stehen.
An wen richtet sich euer Tool?
Die Zielgruppe sind letztlich migrantische Gemeinschaften weltweit, aber auch Forscher:innen, Spezialist:innen und Aktivist:innen, die sich durch die Linse der Medien mit Migration beschäftigen.