(Open-Source-)Innovation bei den UN
Die Vereinten Nationen (UN) sind ein Zusammenschluss von 193 Staaten, die sich gemeinsam um globale Herausforderungen kümmern möchten. Auf der Agenda der UN stehen nicht weniger als Weltfrieden, Menschenrechte und die Durchsetzung der Sustainable Development Goals.
Bei all dem sollen auch technologische Innovationen genutzt und auf Open Source zurückgegriffen werden. Wer auf UN-Ebene aber gerade was diesbezüglich macht, kann schnell unübersichtlich werden. Deshalb stellen wir euch in diesem Blogpost Arbeitsfelder und Akteur*innen der UN in Bezug auf (Public-Interest-)Technologien vor. Es zeigt sich, dass viele der Initiativen entweder vom Generalsekretariat angestoßen und in (zumindest vergleichsweise) kleineren Arbeitskreisen ausgearbeitet werden. Nicht jeder UN-Mitgliedsstaat muss also zwangsläufig jede Initiative unterstützen. Gerade im Open-Source-Bereich tauchen neben UN-Organisationen viele Unternehmen und einige zivilgesellschaftliche Organisationen als Innovationstreiber*innen auf.
Wertebasierte aber vage Innovationsstrategie
Leitend für die spezifische Perspektive der UN ist die Strategy on New Technologies des UN-Generalsekretärs vom September 2018. Darin wird festgelegt, welche Prinzipien für die Auseinandersetzung mit Technologien herangeführt werden sollen, um die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele bis 2030 zu unterstützen. Diese sind:
- Die globalen Werte der UN sollen geschützt und gefördert,
- eine transparente Plattform bereitgestellt werden, um Regierungen, Unternehmen und zivilgesellschaftliche Organisationen über Generationen hinweg für die Entscheidungsfindung zum Gebrauch und Folgen von Technologien zusammenzubringen,
- Partnerschaften und Netzwerke gefördert,
- auf existierende Mandate und Fähigkeiten aufgebaut
- und die UN als lernender Akteur verstanden werden.
Das Office of Information and Communications Technology in New York ist dafür verantwortlich, den UN-Mitarbeitenden die notwendigen Technologien zur Verfügung zu stellen und Innovationsfelder zu untersuchen.
Open Source als roter Faden
Daneben gibt es aber noch eine Reihe von Initiativen, die sich mit Innovationsentwicklung beschäftigen und die Strategie vorantreiben sollen, u. a.:
- Der Bericht “The age of digital interdependence” des High-Level Panel on Digital Cooperation vom Juni 2019, in dem Kooperation und Kapazitätenbildung für digitale öffentliche Güter empfohlen werden,
- die “Road map for digital cooperation: implementation of the recommendations of the High-level Panel on Digital Cooperation” vom Juni 2020, die aus den Empfehlungen Meilensteine ableitet,
- 2030 Connect, eine Plattform des Technology Facilitation Mechanism, auf der entsprechende Projekte und Ressourcen vorgestellt und potentielle Partner*innen verknüpft werden sollen,
- die Resolution 2021/30 des Wirtschafts- und Sozialrats mit der festgehalten wird, Informationen und Netzwerke schaffen zu wollen, die untersuchen, wie Open-Source-Technologien wirksam für nachhaltige Entwicklung eingesetzt werden können sowie
- die “Note on a proposed United Nations centralised database of open-source appropriate technologies” in Ergänzung zu der zuvor genannten Resolution. Hier werden Open-Source-Software und Open-Source-Hardware in den Dienst der Nachhaltigkeitsziele gestellt und zahlreiche Beispiele für sogenannte “geeignete Technologien” genannt, die wirtschaftlich erschwinglich, dezentral, energieeffizient, umweltschonend und von lokalen Akteur*innen einfach für ihre Bedürfnisse zu nutzen sind, wie z. B. Solarkocher.
- Mit der Corona-Pandemie hat das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) einen Hackathon ins Leben gerufen, der Open-Source-Software und -Hardware-Entwicklung für Probleme, die im Rahmen der Pandemie aufgetreten sind oder verstärkt wurden, anstoßen sollte. Dieser war z. B. mit einem “Innovation Hub” der UN in Singapur verbunden, der auf regionaler Ebene den Kontakt zu Unternehmen und Regierungsinstitutionen sucht.
- UN Global Pulse, eine Initiative des Generalsekretärs, arbeitet mit mehreren, sogenannten “Pulse Labs” daran, die Entwicklung und Nutzung von Big Data und Künstlicher Intelligenz (KI) zu beschleunigen, sowohl auf Innovations- als auch auf Policy-Ebene. Zielgruppe sind hier insbesondere Akteur*innen der humanitären Hilfe.
- Dass Daten die Grundlage für die angestrebten Innovationen sind, ist allgemein bekannt. In einigen Betätigungsfeldern der UN, wie im Peacebuilding, wird deshalb daran gearbeitet, die Datenlage zu verbessern und die verfügbaren Daten sinnvoller einzusetzen. Auf politischer Ebene wird zudem diskutiert wie, KI trainiert werden könnte, um die Entscheidungsfindung von Verantwortlichen in Konfliktsituationen hinsichtlich einer Deeskalation zu befördern.
Neben diesen offiziellen Bestrebungen gibt es informelle Netzwerke, die Innovation innerhalb der UN voranbringen möchten, darunter das UN Innovation Network, das als Anlaufstelle für alle dient, die mehr Austausch suchen.
Technologische Fallstricke auf dem Weg der Nachhaltigkeitsziele
Im UN Innovation Network schließen sich Interessierte zu thematischen Gruppen zusammen, um einzelne Technologiefelder zu untersuchen. Z. B. werden in der Blockchain-Gruppe Projekte vorgestellt, die nachhaltige Entwicklung befördern sollen. Was allerdings zumindest auf der Webseite fehlt, ist eine kritische Einordnung, ob und wie die Resultate dieser Projekte, die Blockchain einsetzen, in einem angemessenen Verhältnis zu den Nachteilen stehen, die sie in Bezug auf weitere Ziele wie Klimaschutz haben. Der grobe Werterahmen der “Strategy on New Technologies” scheint hier nicht ausreichend zu sein, um Mitarbeitenden und verpartnerten Organisationen und Expert*innen die Einschätzung zu erleichtern. In anschließenden Untersuchungen und Resolutionen wird nachgebessert und präzisiert werden müssen, wie die technische Basis von Innovationen mit den Nachhaltigkeitszielen in Einklang zu bringen ist.
Gerade Ansätze wie sie in der “Note on a proposed United Nations centralised database of open-source appropriate technologies” vorgestellt werden, scheinen aber bodenständigere und einfachere technische Verfahren zu begünstigen, die den gesellschaftlichen Mehrwert hervorheben. Die dort aufgeführten Werte stehen auch im Einklang mit der Ausrichtung an Public-Interest-Technologien wie sie der Prototype Fund versteht. Die Auseinandersetzung mit Public Interest Tech kann demnach auch dabei helfen, eine Technikfolgenabschätzung im Sinne der Nachhaltigkeitsziele durchzuführen.