14.Mar 2022

Die perfekte Bewerbung

Wie ihr vielleicht schon mitbekommen habt, können wir Bewerber*innen oft nur generelles Feedback geben und Jurynotizen nicht direkt veröffentlichen. Wir haben hier und da bereits versucht, konkrete Hinweise zu geben, wissen aber, dass viele von euch sich etwas ganz bestimmtes wünschen – nämlich zu wissen, wie eine erfolgreiche Bewerbung wirklich aussieht.

Wir haben uns deswegen die erfolgreichen Bewerbungen der Runde 11 noch einmal ganz genau angesehen und zeigen euch hier ausschnittsweise Antworten aus Bewerbungen, die so richtig überzeugt haben. 

Bitte beachtet, dass es sich dabei um eine exemplarische Auswahl handelt. Nicht jede Bewerbung, die ungefähr so wie die folgenden Beispiele aussieht, wird auf jeden Fall genommen. Es geht uns hier darum zu zeigen, wie und in welchem Detailgrad einzelne Fragen beantwortet werden können, um den Gutachter*innen einen guten Eindruck von der Projektidee und den Menschen, die dahinter stehen, zu vermitteln. Es gilt dabei aber immer auch die allgemeinen Auswahlkriterien zu beachten. Und selbst wenn alles passt: Am Ende hängt der Erfolg einer Bewerbung beim Prototype Fund in großem Maße auch davon ab, welche anderen Projekte sich bewerben. 


Beschreibe dein Projekt kurz.

Matrix ist ein junges, offenes Kommunikationsprotokoll, welches vor allem als Messenger-Alternative zu Slack, Discord, WhatsApp und Co. Schlagzeilen macht. Es kann mittels sogenannter Bridges andere Netzwerke und Technologien einbinden. Matrix-Nutzer*innen können damit alle besagten Netzwerke mit einer einzigen Anwendung bedienen. Es gibt bereits ein großes Ökosystem an Bridges, zum Beispiel zu IRC, E-Mail, Telegram, Signal, WhatsApp, SMS oder iMessage. Was noch fehlt: Eine Brücke zu dem – gerade im deutschsprachigen Raum – sehr beliebten Messenger Threema: Threematrix.

oder: 

Fullscreen ist eine Local-First-Whiteboard für Teams und Organisationen. Es synchronisiert Haftnotizen (“Post-It’s”) und weitere Visualisierungen für die virtuelle Zusammenarbeit. Wo Anwendungen wie Miro oder Mural sich durch Cloud-basierte Architektur auszeichnen, führt Fullscreen ein Local-First-Design weiter. Local-First ist ein neues Paradigma der Anwendungsentwicklung, das Sicherheit und Souveränität priorisiert, während es die Kollaborationsfunktionen der Cloud beibehält. Fullscreen wäre somit die Alternative für akademische Institutionen, Behörden und Unternehmen sowie zivilgesellschaftliche Gruppen, die keine Cloud-basierte Software für ihre Zusammenarbeit verwenden können oder möchten. 

Warum sind diese Antworten überzeugend?

Die Antworten stellen auch für Nicht-Expert*innen verständlich dar, was der Mehrwert des Projekts ist.

Welches gesellschaftliche Problem willst du mit deinem Projekt lösen?

Fast jede Firma, jeder Sportverein, jede Musikschule und jede Behörde verwendet heute mobile Messenger für die schnelle Kommunikation. Aufgrund von Geheimdienstskandalen, DSGVO und einer kritischeren Zivilgesellschaft wird inzwischen häufig versucht, von den US-amerikanischen Anbietern wie WhatsApp und Slack loszukommen. Leider ergibt sich durch die vielen Alternativen wie Signal, Telegram oder Threema ein neues Problem: Die Fragmentierung der Kontakte. Die Aggregierung und Interoperabilität von einzelnen Messengern ist deswegen eine große Herausforderung. Das Matrix-Protokoll bietet sich genau dafür hervorragend an. Organisationen wie Vereine, Behörden, Universitäten und Schulen profitieren ganz besonders von Matrix als Messenger-Basis, weil sich damit organisatorische Strukturen mit thematischen Räumen und Gruppen abbilden lassen und gleichzeitig eine globale Vernetzung mit anderen Nutzern des Matrix-Netzwerks möglich ist. Die Stärkung von Matrix durch die Threema-Bridge Threematrix ist eine Stärkung der Wahlfreiheit in der Messenger-Welt und eine Stärkung von offenen Standards. Die Bridge ermöglicht es Nutzer*innen, Chaträume mit anderen Protokollen zu verknüpfen, die Leistungsfähigkeit ihrer Messenger zu erhöhen und aus einer geschlossenen Messenger-Welt leichter ausbrechen zu können.

Oder:

Seit 2018 gibt es durch die DSGVO EU-weit umfassende Rechte in Bezug auf den Schutz personenbezogener Daten. Leider ist aber weder das Wissen darum weit verbreitet, noch ist vielen Menschen klar, wie sie diese Rechte überhaupt einsetzen können. Unser Projekt App für datenanfragen.de bietet dafür einen einfachen und klaren Handlungsweg und steht bei Problemen hilfreich zur Seite. Das Ziel ist, die Rechte zum Datenschutz so barrierefrei wie möglich zu gestalten und so bei den Einzelpersonen aber auch bei Unternehmen mehr Sensibilität für Datenschutz zu schaffen. Bisher wird dies durch die Webseite datenanfragen.de allerdings nur unzureichend umgesetzt. Durch den sehr starken Fokus darauf, keine unnötigen Daten zu sammeln, mussten wir einige Einbußen im Hinblick auf die Funktionalität hinnehmen. Im Kontext einer App können wir diese jedoch datenschutzfreundlich direkt auf dem Gerät der Nutzer*innen implementieren. Eine Anfrage ist selten nach dem ursprünglichen Abschicken erledigt: Bei Nichtantwort müssen Mahnungen verschickt werden, unzureichende Rückmeldungen müssen bemängelt werden oder in einer Beschwerde bei der Datenschutzbehörde münden. Hier kann unsere App über Benachrichtigungen anknüpfen. Durch die App für datenanfragen.de wird es wesentlich wahrscheinlicher, dass das eigene Recht auch tatsächlich durchgesetzt wird. 

Warum sind diese Antworten überzeugend?

Sie stellen verständlich dar, welches Problem angegangen werden soll und setzen die Projektidee in Bezug dazu.

Wie willst du dein Projekt technisch umsetzen?

Um auf dem bestehenden Preact-Code aufzubauen, wollen wir die App für datenanfragen.de als Electron-App für Desktops bzw. React-Native-App für iOS und Android umsetzen. Damit die Suche nicht wie auf der Webseite mit unserem Server kommunizieren muss, wird es die Möglichkeit geben, unsere Unternehmensdatenbank (oder bestimmte Teile davon) auch herunterzuladen und rein lokal zu durchsuchen. Über die Einstellungen kann ein Zugriff auf SMTP- und IMAP-Server eingerichtet werden, welche die Anfrage-E-Mails senden und empfangen. Zur Zuordnung von Antworten zu einer konkreten Anfrage wird ein Referenz-Zeichen im Betreff verwendet, ansonsten muss auf eine Heuristik zurückgefallen werden, die im Zweifel durch manuelle Zuordnung korrigiert werden kann. Auf Android wird die App ohne Abhängigkeit auf das proprietäre Google Play Services Framework implementiert, sodass sie auch auf Google-freien Geräten genutzt werden kann. Benachrichtigungen, basierend auf den eingegangenen Nachrichten, werden nur lokal generiert und nicht über (externe) Server geleitet. 

Oder:

Automerge ist die zugrunde liegende Open-Source-Bibliothek, die Fullscreen antreibt. Automerge ist ein bequemer Weg, um CRDTs (Conflict Free Replicated Datatypes) zu erstellen und zu synchronisieren. CRDTs sind eine neue Datenstruktur in verteilten Systemen, die es mehreren Geräten erlauben, ohne eine zentrale Third Party Daten zu bearbeiten. Typische Cloud-basierte Anwendungen wie Google Docs verwenden Operational Transforms (OT), die eine ältere Version dieser Technologie sind. OT erfordert eine vertrauenswürdige Third Party, um abweichende Änderungen in der Bearbeitungshistorie zu verwalten und zusammenzuführen. Wir werden diesen Sprung in der akademischen Forschung, der von der Universität Cambridge initiiert wurde, nutzen, um eine sicherere Anwendung zu entwickeln, die auch offline funktioniert. Für die Verschlüsselung werden wir OpenMLS in Erwägung ziehen. Die Förderung wird es uns ermöglichen, auf die neueste Version von Automerge aufzurüsten und technisch komplexere Funktionen für die plattformübergreifende Zusammenarbeit zu implementieren. Zusammen werden diese Verbesserungen PushPin einen Vorteil in der Benutzererfahrung, Sicherheit und Leistung gegenüber seinen Cloud-basierten Konkurrenten geben.

Warum sind diese Antworten überzeugend?

Sie zeigen, dass die Bewerber*innen sich bereits eingehend Gedanken um die Umsetzung der Idee gemacht haben – die Idee ist also kein Schnellschuss. Das bedeutet nicht, dass das Projekt letztlich genau so umgesetzt werden muss.

Welche ähnlichen Lösungen gibt es schon und was wird dein Projekt anders bzw. besser machen?

Für Whiteboarding gibt es auch ohne Fullscreen zurzeit einige Optionen, die sich mit der Beliebtheit von Zoom aus dem Design-Thinking- und Agile-Management-Bereich katapultiert haben. Darunter sind sicherlich: Miro, Mural, FigJam, MetroRetro, Conceptboard, Spacedeck. Verwandte Tools wie Whimsical oder Milanote unterstützen genauso die virtuelle Zusammenarbeit. BigBlueButton hat auch eine integrierte Whiteboard-Funktion.

Warum ist diese Antwort überzeugend?

Sie zeigt, dass die Bewerber*innen sich im Vorfeld informiert haben, Alternativen kennen und wissen, was ihr Projekt anders und besser macht.

Wer ist die Zielgruppe und wie soll dein Tool sie erreichen?

Zielgruppe der Threematrix sind potenziell alle Nutzer*innen des Threema-Messengers. Mit der Matrix-Bridge können sie: Threema ohne die komplizierte, offizielle und fehleranfällige Web-App verwenden; Threema-Chats mit weiteren Protokollen (wie WhatsApp, iMessage, IRC) verbinden (mit Matrix als Vermittler); einfacher Automatisierungen und Bots für Threema bauen, da die jeweiligen Tools auf der Matrix-Seite implementiert werden könnten. Bei der Verbreitung zählen wir auf die gut vernetzte Matrix-Community – zum Beispiel durch einen Vortrag/Demo/Text-Abschnitt in den wöchentlichen „This Week in Matrix“-Videocalls und regelmäßige Updates im zugehörigen Matrix-Raum.

Oder:

Hauptzielgruppe von Fullscreen sind Teams und Organisationen, die aufgrund von Sicherheits- oder Datenrichtlinien keine Cloud-basierten Lösungen am Arbeitsplatz nutzen können oder wollen und Whiteboarding-Funktionen benötigen (Post-It’s, Diagramme, usw.). Fullscreen wird einen MVP anfangs gemeinsam mit 3-5 zivilgesellschaftlichen Organisationen testen und dadurch eine erste wichtige Gruppe von Nutzer*innen gewinnen Weitere Zielgruppen sind Teams und Organisationen, die eine intuitive, schlichte und günstige App für virtuelle Moderation benötigen (Casual Users), Workshop-Moderator*innen, Team-Leads, Design- und Agile-Fachleute, die viel unterwegs sind und Offline-Bearbeitung benötigen (Power Users).

Warum sind diese Antworten überzeugend?

Sie zeigen, dass die Projektideen potenziell eine große gesellschaftliche Reichweite haben und dass die Bewerber*innen mit dem Wissen über die Zielgruppe ein Verständnis dafür haben, was in der Entwicklung ihrer Software besonders wichtig sein wird. Die Maßnahmen zur Erreichung der Zielgruppe zeigen, dass die Bewerber*innen sich Gedanken um die Verbreitung und Nutzung der Software machen.

Hast du schon an der Idee gearbeitet? Wenn ja, beschreibe kurz den aktuellen Stand und erkläre die Neuerung.

Wenn die Antwort hier “ja” lautet, ist es besonders wichtig deutlich zu machen, was die Neuerung ist, die nun gefördert werden soll. Reine Updates, Ausbesserungen und Maintenance sind nicht förderfähig.

Wie viele Stunden willst du (bzw. will das Team) insgesamt in den 6 Monaten Förderzeitraum an der Umsetzung arbeiten?

Der Stundenumfang sollte sinnvoll in Relation zum Umfang des Projekts stehen. Außerdem gilt es, die maximale Anzahl an Arbeitsstunden innerhalb der Förderung zu beachten (950 h). 

Skizziere kurz die wichtigsten Meilensteine, die du (bzw. das Team) im Förderzeitraum umsetzen willst.

  1. Bestehende Codebasis als Electron- und React-Native-App umsetzen. 
  2. Implementierung von Benachrichtigungen. 
  3. Unterstützung für das Verschicken von E-Mails über SMTP. 
  4. Unterstützung für das Empfangen von E-Mails über IMAP. 
  5. Implementierung einer Anfragen- und Korrespondenzübersicht. 
  6. Umsetzung eines Beschwerdegenerators mit Anhängen der Korrespondenz.

Oder:

  1. Architektur-Update und UX-Entwicklung: Die Architektur ist auf Automerge umgestellt und Ende-zu-Ende verschlüsselt. UX für Konfliktlösung und Synchronisierung wurden neu entwickelt. 
  2. Teams und Zusammenarbeit: Neue Features (Cursor, Moderation, Zugang und Freigabe, Timer und Agenda-Funktion) sind implementiert. Gute Testergebnisse für langsame Verbindungen und Offline-Bearbeitung. 
  3. Web und Tablet mit Progressive Web Apps: Für die Web- und Mobile-Unterstützung wurde das Frontend in komponierbare Teile verpackt und das Backend von Electron zu einem Service Worker umgewandelt. 
  4. Plugins: Plugins ermöglichen die Integration von bestehenden Tools, z. B. Jitsi oder BigBlueButton. 
Warum sind diese Antworten überzeugend?

Die Bewerber*innen zeigen, dass sie den Arbeitsaufwand einschätzen können und welche Schritte notwendig sind, um ihr Ziel zu erreichen.


Und damit wünschen wir euch viel Erfolg für eure Bewerbung! Antworten auf alle Fragen rund um Förderung und Bewerbung findet ihr in den FAQ.

Die perfekte Bewerbung